Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)
konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie erleichtert wirkte, als ich ihr eröffnete, bisher fehle jede Spur von Noemis leiblichen Eltern. Trotzdem sicherte sie mir ihre finanzielle Unterstützung weiterhin zu und wies mich an, die Suche nach den ominösen Akten auf alle Fälle fortzuführen.
»Wenn ich diese Unterlagen nicht auftreiben kann, bin ich aufgeschmissen«, bemerkte ich zu Manju, nachdem ich den Anruf beendet hatte.
Diese röstete mittlerweile in einer Bratpfanne Gewürze für das Murg Makhani , eine Mischung aus Pfefferkörnern, Nelken, Kardamom, Zimt und Mandeln, während sie gleichzeitig gewürfelte Tomaten mit Ingwer, Kreuzkümmel, Koriander, Kurkuma und zwei Löffeln Joghurt im Mixer zu einer sämigen Paste verarbeitete. Seit ich mit Manju zusammen war, hatte ich meine Junggesellenküche mit Gerätschaften und einem Vorrat an Lebensmitteln aufgerüstet und nutzte diese auch erstaunlich oft.
»Gibt es wirklich keine andere Möglichkeit herauszufinden, wer Noemis leibliche Eltern sind? Irgendein Amt oder eine dieser Nonnen vielleicht?«, fragte sie, nachdem sie nachgedacht hatte.
Ich schüttelte den Kopf und begann, unter dem Wasserhahn Basmatireis zu waschen. »Bei den Ämtern wurden diese Adoptionen ja nicht vermeldet. Die Schwestern haben die Namen der Adoptiveltern direkt in die Geburtsurkunden hineingeschrieben, weswegen es unmöglich ist herauszufinden, wer die wirklichen Eltern eines Kindes sind. Und die Nonnen selbst schweigen eisern dazu, oftmals weil sie systematisch eingeschüchtert werden. Die bedauernswerte Schwester Alma zum Beispiel hat mit dem Leben dafür bezahlt, dass sie reden wollte.«
Ich hatte Manju den Fall in groben Zügen zusammengefasst, dabei aber wohlweislich die Stellen weggelassen, bei denen ich in Gefahr geschwebt hatte. Sie hätte sich sonst nur unnötig aufgeregt.
»Was willst du jetzt tun?« Sie fügte Hähnchenstücke in eine zweite Pfanne, in der die Zwiebeln bereits goldbraun in Ghee brutzelten.
»Mir bleibt nichts anderes übrig, als morgen nach Bern zu fahren. Alles, was ich habe, ist ein falscher Name und eine dazugehörige Adresse aus dem Internet. Sánchez hat gesagt, Grüninger sei seit Jahren wie vom Erdboden verschluckt. Er hat selbst nach ihm gesucht und die Wohnung tagelang überwachen lassen, dabei jedoch nicht den geringsten Hinweis zum Verbleib seines ehemaligen Kollegen gefunden. Wahrscheinlich ist er abgetaucht oder tot.«
»Abgetaucht?«
»Nach Südamerika oder weiß der Teufel wohin.«
»Würdest du auch dorthin fliegen, um ihn zu suchen?« Manju sah so besorgt aus, dass ich schnell verneinte.
»Ich vertraue auf meine Fähigkeiten als Detektiv und hoffe, den Kerl allen Hindernissen zum Trotz bald aufzustöbern.«
Sie lächelte erleichtert. »Gut zu sehen, dass dich diese scheinbar ausweglose Situation anspornt. Ich hab’s dir ja gesagt: Ein Jobwechsel wäre nichts für dich, du bist bereits im richtigen Metier.«
In den letzten Tagen hatte ich so viel um die Ohren gehabt, dass ich mir überhaupt keine Gedanken mehr zu diesem Thema gemacht hatte. Doch Manju hatte zweifelsfrei recht: Mein Beruf war viel mehr für mich als eine, wenn auch magere, Einkommensquelle. Er war eine Berufung und gewissermaßen ein Privileg, wenn man bedachte, wie viele Leute ihre Arbeit nur des Geldes wegen machten und dabei unglücklich waren oder sich zu Tode langweilten. Mehr konnte man wirklich nicht verlangen.
Das Hühnchen hatte großartig gemundet. Manju hatte einige Chapatis dazu gebacken und ein mildes Raita mit Gurken und Tomaten angerührt, und nachdem ich abgewaschen hatte, machten wir es uns auf dem Bett bequem und guckten eine romantische Komödie im Privatfernsehen, wie sie Manju so gern mochte. Ich konnte nicht viel mit diesem klebrigen Zeug anfangen, doch ich ließ mir nichts anmerken, lachte an den richtigen Stellen und warf hin und wieder eine bissige Bemerkung zur voraussehbaren Handlung ein.
Manchmal war es kinderleicht, eine Beziehung zu führen, dachte ich, es musste sich ja nicht immer alles um Sex drehen.
Eine Meinung, die ich in dem Moment revidierte, als Manju ankündigte, die Nacht bei mir verbringen zu wollen. Als sie nach dem Zähneputzen das Licht löschte und zu mir unter die Decke schlüpfte, verfluchte ich einmal mehr ihren Vorsatz und versuchte krampfhaft, an etwas anderes zu denken als an ihren Körper im dünnen Nachthemd, den ich dicht an meinem spürte. Es wurde sehr spät, bis sich endlich die innere
Weitere Kostenlose Bücher