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Familientherapie ohne Familie

Titel: Familientherapie ohne Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Weiss
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ausdrücken müssten, wie viel Stunden am Tag sind Sie denn depressiv?«
    »Wann am Tag zeigen Sie diese depressiven Seiten – eher morgens oder abends?«
    »Wann kann man das weniger beobachten?«
    »Wann zeigen Sie Ihre Fröhlichkeit am stärksten?«
    »Wie viele Stunden oder Minuten am Tag kann ein Außenstehender die ›Depression‹ wohl nicht wahrnehmen?«
    »Was ist dann anders?«

    Einer meiner Patienten klagte über eine schwere endogene Depression, die seit vielen Jahren mit hoch dosierten Antidepressiva behandelt wurde. Da die depressiven Phasen den hoch angesehenen Industriemanager in seiner Aktivität weitgehend gelähmt hatten, hatte er trotz langer Intervalle ohne Depression beständig Furcht vor einem Rückfall. Um dem vorzubeugen, hatte er die Medikamente weiterhin eingenommen. Trotzdem litt der Patient nun erneut unter einer schweren Depression. Er gab an, »Tag und Nacht und Nacht und Tag« schrecklich depressiv zu sein. Auf die genaue Befragung nach Ausmaß und Zeitpunkt ergab sich ein überraschendes Bild. Wirklich schlimm für ihn war die Zeit gleich nach dem Aufwachen. Da empfand er in klassischer Weise den Tag wie einen unüberwindlichen Berg, den er nie bewältigen würde. Jede noch so kleine Aufgabe war ihm ein unlösbares Problem. Gleichzeitig quälte er sich mit Selbstvorwürfen über seine Unfähigkeit, sich nicht aufraffen zu können. Wenn er dann einige Tassen Kaffee getrunken hatte, fühlte er sich meist etwas besser, vor allem aber verbesserte sich die Stimmung nach einem morgendlichen Spaziergang mit seinem Hund. Danach konnte er meist für einige Zeit seinen Aufgaben nachkommen. Eine Tatsache, die der Patient jedoch nicht wertschätzte, da seine Leistungsfähigkeit auch dann unterdurchschnittlich war. Nachmittags ging es noch einmal schlechter, und am Abend gab es öfter eine Phase, in der er sich fast gesund empfand.
    Als ich dann die wirklich depressiven Phasen zeitlich zusammenfasste, kam ich mit dem Patienten zu dem Ergebnis, dass nur drei oder vier Stunden von 24 das Etikett »depressiv« verdienten, während die übrigen Stunden zwar nicht immer gut, aber doch erträglich waren.
     
     
    Für Therapeut und Patient wird so eine Änderung der Wahrnehmung möglich. Mit der zeitlichen Abgrenzung ist der Patient nicht mehr »hoffnungslos depressiv«, sondern nur »zeitweise stark bedrückt«.
    Im Gespräch konzentriere ich mich daher auf diese Phasen des Tages, in denen der Patient sich vergleichsweise wohlfühlt und erfragt, was er da anders mache. Dies schlüssle
ich dann nach möglichst vielen Lebensbereichen auf (das Verhalten gegenüber der Arbeit, der Ehefrau, den Kindern usw.).
    Falls Patienten – was selten vorkommt – wirklich beharrlich angeben, den ganzen Tag ohne Ausnahme depressiv zu sein, kann man sich auf die Ausnahmen oder die früheren Zeiten konzentrieren.
    »Wann haben Sie zuletzt Ihre Fröhlichkeit gezeigt?«
    »Wenn Sie 24 Stunden am Tag depressiv sind, woher wissen Sie dann, dass Sie sich schlecht fühlen?«
    »Gab es eine Zeit, die anders war?«
    Falls der Patient darauf eingeht, ergibt sich die Möglichkeit, auf die genauen Ereignisse einzugehen:
    »Was haben Sie damals anders gemacht?«
    »Wie war es Ihnen möglich?«
    »Machen Sie so etwas heute zum Teil auch schon?«
    »Was wäre nötig, damit Sie das morgen machen könnten?«
    »Wie würde der erste Schritt dazu aussehen?«
    Es zählt zu den beeindruckenden Momenten im Erstgespräch, wenn der Therapeut feststellen muss, wie der eben noch »stockdepressive« Patient sich aufrichtet und mit völlig veränderter Stimme lächelnd eine Episode aus seinem Leben berichtet, wo es ihm gut ging. Für den Therapeuten wird dann die Seite des Patienten erkennbar, wo dessen Fähigkeiten und Ressourcen liegen, auf die der Therapeut später aufbauen kann.
    Und nun noch ein abschließender Gedanke zum Beginn der Behandlung: Es lohnt sich in vielen Fällen, den Überweisungsmodus in die Überlegungen mit einzubeziehen. Was hat sich zum Beispiel der überweisende Arzt gedacht? Kommt ein Patient, weil er von einem anderen Patienten, dem gut geholfen wurde, vom Therapeuten gehört hat? Oder wurde er von einem verzweifelten Kollegen geschickt, der sich bestätigen lassen möchte, dass mit diesem Fall einfach keiner zurechtkommen kann?

    Zirkuläre Fragen zu der Thematik mögen etwa lauten:
    »Wenn ich den Überweisenden fragen würde, was er von einer Behandlung hier erwartet, was würde der antworten?«
    »Wie wäre es

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