Family Affairs - Verbotenes Verlangen
werde ich unsere gemeinsame Zeit niemals bereuen.“
Ein letztes Mal sah sie ihm ins Gesicht, dicke Tränen stauten sich an ihren Lidrändern, als sie für eine letzte Berührung die Hand ausstreckte. Seine Haut war heiß, ihre Hand kühl. Sie waren wie Tag und Nacht, wie Sonne und Mond. Dazu verdammt, sich nacheinander zu sehnen, ohne die Möglichkeit, einander nahe zu sein. Nach einem letzten langen Blick verließ Chloe die Wohnung, und diesmal war es Ryan, der allein zurückblieb.
Lustlos gammelte sie am Sonntagnachmittag auf ihrer Couch herum und strich Kassiopeia über den Rücken, die auf ihrem Bauch lag und genüsslich schnurrend die Massage genoss. Regentropfen klopften gegen die Fensterscheiben. Draußen prasselte der Regen auf London hinunter. Dieses grauenhafte Wetter war eine passende Untermalung zu ihrer miesen Stimmung. Während sie immer tiefer in den Polstern versank und ernsthaft mit dem Gedanken spielte, so lange liegen zu bleiben, bis sie darauf festgewachsen war, klingelte es an ihrer Wohnungstür. Genervt verzog sie das Gesicht. Bestimmt war das Beth, die ihr einen Kontrollbesuch abstatten wollte, um sicherzugehen, dass sie nicht wieder in einem Meer aus Trübsinnigkeit versank. Dabei wünschte sich Chloe nichts mehr als das. Es war wohltuend zu heulen und sich selbst zu bemitleiden. Warum auch nicht, sie hatte allen Grund dazu!
Stur blieb sie liegen, doch nach einem weiteren durchdringenden Läuten hüpfte Kassiopeia von ihrem Bauch und miaute anklagend. Mit einem ungeduldigen Grummeln setzte Chloe sich auf und marschierte zur Tür. Bevor sie jedoch öffnete, warf sie sicherheitshalber einen schnellen Blick durch den Türspion und zuckte überrascht zurück. Paige stand vor der Tür und trat nervös von einem Fuß auf den anderen, als erwarte sie, jeden Augenblick hochkant aus dem Gebäude geworfen zu werden. Chloe wurde es heiß und kalt zugleich, ein leichter Schwindel ergriff sie. Was sollte sie tun? Ein Teil von ihr wollte mit ihr reden, sie in die Arme schließen, doch auch hier war die Feigheit ihr allgegenwärtiger Schatten und ließ sie zögern.
„Chloe … Chloe, bist du da?“, hörte sie Paige von draußen rufen. Die Stimme ihrer Schwester zitterte. „Bitte, wenn du mich hörst, dann mach mir auf. Bitte …“
Das letzte Wort kam leise, herzzerreißend. Chloe wischte sich die feuchten Hände an ihrem Rock ab und griff nach der Türklinke. Ein leichter Luftzug, die Tür öffnete sich. Chloe stand ihrer Schwester gegenüber und geriet augenblicklich in Sorge, da Paige wirklich angegriffen aussah. Sie war blass, ungeschminkt bis auf ein wenig Wimperntusche, die aussah, als hätte sie sie noch am Vortag aufgetragen. Auch machte sie einen unausgeschlafenen Eindruck. Kein Vergleich zu der strahlenden Schönheit, die sie damals in der Blue Bar kennengelernt hatte.
„Kann ich reinkommen?“
Sogar ihre Stimme war verändert. Beinahe schüchtern. Chloe wollte Ja sagen, doch das Wort blieb ihr vor lauter Aufregung im Hals stecken. Also trat sie einfach einen Schritt nach hinten. Das war zwar keine überschwängliche Einladung, doch das bebende Lächeln auf Paiges Gesicht verriet eine solche Erleichterung, dass Chloe von fürchterlichen Gewissensbissen geplagt wurde, weil sie ihr absichtlich aus dem Weg gegangen war.
Zwei Stunden später saßen sich die beiden Schwestern immer noch am Küchentisch gegenüber, vor jeder stand eine dampfende Tasse mit köstlich duftendem Kaffee, während Kassiopeia zwischen unbeschuhten Füßen und Stuhlbeinen hin und her streifte. Die Unterhaltung war zuerst stockend, ausgebremst von den Hemmungen, die sie aufgrund der neuartigen Situation voreinander hatten. Das Gespräch bewegte sich daher in ungefährlichen Regionen, die ihre gemeinsamen Eltern bewusst aussparte.
Nun herrschte seit einigen Sekunden eine verlegene Stille zwischen ihnen, während Chloe verzweifelt nach einem unverfänglichen Gesprächsthema suchte. Doch es war Paige, die wieder das Wort ergriff, und dieses Mal hielt sie ihre Neugier nicht im Zaum
„Wie ist sie so?“
Sie meinte natürlich Leanne. Chloe überlegte genau, bevor sie ihrer Schwester eine Antwort gab.
„Leanne zu charakterisieren ist unglaublich schwer.“
Sie suchte nach einer passenden Umschreibung für die gemeinsame Mutter.
„Mal ist sie Feuer, dann wieder Eis. Ein unruhiger Geist, süchtig nach Aufmerksamkeit und doch verletzlich wie ein Kind. Ich hatte nicht selten das Gefühl, dass ich die Erwachsene
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