Family Job
vor, Martin fahren zu lassen. Nur weil alle Fahrzeuge für durchschnittlich große Männer ausgelegt waren, hieß das nicht, dass eine kleine Frau nicht damit fertig wurde. Bei einem Transit wäre die Sache vielleicht etwas schwieriger gewesen, doch sie hatten einen gebrauchten Escort gekauft, billig und leicht zu entsorgen, auch wenn es hinten ein bisschen zu eng war. Also keine Ausflüchte. Wenn sie einen Kerl erwürgen konnte, der einen Kopf größer war als sie, dann konnte sie auch so ’nen Scheißkombi steuern. Sie zog die Handbremse und wartete darauf, dass die Ampel umsprang.
Sie konnte Martins Blick auf sich spüren.
»Wir hätten …«, sagte er, »… du weißt schon … im Haus.«
Sie schüttelte den Kopf, sprach leise. »Tja, ging eben nicht.«
»Ich weiß.Trotzdem scheiße.Kann doch nicht so schwer sein.«
»Na los«, sagte sie. »Versuch’s.«
»Was?«, sagte er. »Jetzt gleich?«
»Klar. Steig nach hinten und mach’s.«
»Ich bin zu groß.«
»Du kannst dich doch durchquetschen.«
»Wieso machst du’s nicht?«
»Ich will ja nicht.«
Er verstummte. Er heckte etwas aus. Effie gab ihm Zeit, und nach einer Weile sagte er: »Wieso können wir’s nicht tun, Babe? Weil’s … unmoralisch ist?«
»Großes Wort.«
»Große Sache.«
Sie antwortete lieber nicht.
Er schlug ihr leicht aufs Knie. »Na?«, sagte er.
Sie zuckte die Achseln. »So was in der Art. Ich weiß nicht. Das ist ’n beschissenes Kind. ’türlich ist’s unmoralisch, Scheiße noch mal.«
»Grant war auch noch ’n Kind.«
Ein lebhaftes Bild ihres Bruders vor Augen, sagte sie: »Ich hab nicht vor, irgendwen umzubringen. Ich will das nicht. Und den Kleinen will ich auch nicht umbringen.«
»Na fein.« Er machte eine Pause. »Heißt wahrscheinlich, dass wir alle in den Knast wandern, Effie.«
»Hör auf mit dem Scheiß, Martin.«
»Das ist kein …«
»Halt einfach die Klappe.«
Es war ein Uhr früh. Sie hatte gerade jemanden umgebracht. Seinen Körper zersägt. Und der Kleine stand um Haaresbreite davor, ebenfalls sterben zu müssen. Höchstwahrscheinlich wegen ihrem Scheißvater. Nicht wegen Martin. Er hatte keine Schuld.
»Tut mir leid«, sagte sie. »Ich bin müde.«
»Soll ich fahren?«
»Ich schaff’s schon.« Sie ließ den Motor aufheulen. »Wieso braucht diese Scheißampel so lange, bis sie grün wird?«
Sie hätte sie glatt überfahren, hätte sie nicht zwei Leichen und einen gefesselten und geknebelten Elfjährigen als Geisel hinten im Wagen gehabt. Wohl kaum ideale Bedingungen, um ein Risiko einzugehen, nur weil man schnell ins Bett kommen wollte. Egal, ans Bett war sowieso noch nicht zu denken. Es gab noch eine Menge zu tun. Ihr schwirrte der Kopf. Sie hätte eine Tasse Kaffee gebrauchen können. Eigentlich hatte sie noch bei Fraser eine trinken wollen, aber sie hatten in aller Eile aufbrechen müssen, weil ihr Dad sie verarscht hatte. Manchmal war er wirklich ein blödes Arschloch.
»Willst du’s noch mal bei Dad versuchen?«
»Klar«, sagte Martin. »Auch wenn ich nicht glaube, dass diesmal einer drangeht.«
Da. Endlich. Die Ampel sprang um. »Versuch’s einfach.« Effie trat aufs Gas. Hielt gerade so die erlaubte Geschwindigkeit ein. »Bitte. Wir müssen wissen, in was wir da reingeraten.«
Natürlich nahm niemand ab.
Martin legte das Handy weg, und Effie fuhr, unbequem, weil Martin sich an sie lehnte. Was ihr aber nichts ausmachte. Sie mochte seinen Geruch, frisch vom Baden. Sie konnte ihm nicht lange böse sein, vor allem nachdem ihr klargeworden war, dass sie nicht auf ihn sauer war.
Sie fuhren stadtauswärts, nach Westen, durch Dalry, wo betrunkene junge Mädchen in Gruppen über die Straße torkelten, dann durch Gorgie, wo es schon viel ruhiger zuging. Als sie Saughton erreichten, war der nächtliche Verkehr bereits bis auf gelegentlich ein Auto, ein Taxi oder einen Bus abgeebbt. Die Neubauten von Broomhouse zogen rechts vorbei, und dann kam ein Kreisverkehr nach dem andern, so dass Martin sich aufrecht hinsetzen musste und Effie schalten konnte, ohne seinen Kopf vonihrem Arm zu stoßen oder den Motor abzuwürgen. Er gähnte und döste wieder ein. Sie fuhren durch Sighthill, anschließend Calder.
Sie waren gerade auf die Straße nach Kilmarnock abgebogen und hatten die Stadt hinter sich gelassen, als Jordans Handy klingelte. Gedämpft, aber eindeutig ein Kinderlied, schnell und melodisch und zwitschernd. Effie spürte die Vibrationen am Bein. Sie trug drei Handys bei sich. Zum
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