Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fandorin

Fandorin

Titel: Fandorin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
Der Junge setzte nie mehr als fünf Rubel und zeigte auch nicht die geringste Lust »festzukleben«. Der gestandene Spielmeister Gromow, den jeder Glücksspieler in Moskau kannte, hatte den Jungen zu ködern versucht, indem er ihm einen Hunderter vorschoß, doch das Geld war umsonst angelegt: Kein Glühen in den Augen des rotbäckigen Jünglings, kein Händezittern. Mit diesem Neuzugang ließ sich wohl nichts anfangen, er blieb ein ausgemachter »Kiebitz«.
    Dabei hatte Fandorin (denn um ihn handelte es sich natürlich) geglaubt, als unsichtbarer Schemen durch den Saal zu wandeln und keinerlei Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Eingebracht hatte diese Gangart allerdings bislang nicht viel. Einmal hatte er mitbekommen, wie ein durchaus ehrbar anzusehender Herr einen halben Goldimperial vom Tisch stibitzte und anschließend voll Würde den Rückzug antrat. Zwei niedere Offiziere stritten halblaut miteinander im Korridor, Fandorin verstand nicht, worum es ging: Ein Dragonerleutnant versicherte, er sei doch kein Schnapphahn, daß er vor Freunden den schwarzen Jungen zinke, während der Husarenkornett ihn einen Mauschler nannte.
    Surow, dessen Nähe Fandorin in Abständen suchte, fühltesich in dieser Gesellschaft augenscheinlich wie ein Fisch im Wasser, und nicht irgendein Fisch: Er war der Hecht im Karpfenteich. Ein Wort von ihm genügte, um einen aufkommenden Streit im Keim zu ersticken, und einmal eilten auf einen Wink von ihm zwei propere Lakaien herzu, nahmen einen Krakeeler, der sich partout nicht beruhigen wollte, in ihre Mitte und beförderten ihn schnurstracks vor die Tür. Fandorin war sich sicher, daß der Graf ihn nicht erkannte, auch wenn er seinen flinken, bösen Blick ein paarmal auf sich gespürt hatte.
    »Die fünfte, mein Wertester«, verkündete Surow – eine Mitteilung, die den Pointeur bis zum Äußersten zu erregen schien.
    »Zwei Ohren für den Esel!«, rief er mit bebender Stimme und knickte zwei Ecken seiner Karte um. Ein Raunen ging durch die Umstehenden, der schwitzende Herr strich sich eine Strähne aus der Stirn und warf einen ganzen Haufen regenbogenbunter Scheine auf den Tisch.
    »Was heißt das, zwei Ohren für den Esel?« erkundigte sich Fandorin verlegen bei dem rotnasigen Alten, der ihm der Harmloseste unter den Anwesenden zu sein schien.
    »Es bedeutet den vierfachen Einsatz«, erläuterte der Nachbar bereitwillig. »Hiermit begehrt unser Freund in der letzten Runde volle Revanche.«
    Der Graf stieß ungerührt ein Wölkchen Pfeifenrauch aus und deckte rechts einen König, links eine Sechs auf.
    Der Pointeur offenbarte ein Herz As.
    Surow nickte knapp und warf als nächstes ein Kreuz As rechts, einen Herz König links.
    Fandorin hörte neben sich ein begeistertes Wispern: »Ein Spieler vor dem Herrn!«
    Der schwitzende Herr bot einen jämmerlichen Anblick.Er schaute dem Häuflein Banknoten nach, wie es hinter den gräflichen Ellbogen wanderte, und fragte kleinlaut: »Vielleicht ließe sich ein kleiner Kredit ermöglichen?«
    »Abgelehnt«, erwiderte Surow träge. »Wer will, wer hat noch nicht, meine Herren?«
    Plötzlich blieb sein Blick an Fandorin hängen.
    »Wir kennen uns doch, nicht wahr?« fragte der Gastgeber mit einem unguten Lächeln. »Herr Fedorin, wenn ich nicht irre?«
    »Fandorin«, korrigierte dieser und wurde dummerweise schon wieder rot.
    »Pardon. Was lorgnieren Sie hier in einem fort herum? Wir sind doch nicht im Theater. Wenn Sie schon da sind, müssen Sie spielen. Ich darf bitten!« Er wies auf den frei gewordenen Stuhl gegenüber.
    »Beide Blatt selbst auswählen!« wisperte der gütige Alte ihm ins Ohr.
    Fandorin nahm Platz und folgte dem Rat, indem er forsch verkündete: »Wenn Euer Erlaucht gestatten, nehme ich das Recht des Neulings in Anspruch und halte die Bank. Und zwar mit dem Blatt und … dem da.« Bei diesen Worten wählte er aus dem Stapel versiegelter Kartenspiele auf dem Tablett die zwei zuunterst liegenden.
    Surows Lächeln wurde noch anzüglicher.
    »Warum nicht, Herr Neuling, Bedingung akzeptiert, nur unter einem Vorbehalt: Wenn ich die Bank sprenge, laufen Sie mir nicht davon. Dann steht mir noch ein Spielchen in der Vorhand zu. Also, dann wollen wir mal. Ihr Einsatz?«
    Fandorin zauderte. So schnell die Kühnheit über ihn gekommen war, so schnell hatte sie ihn wieder verlassen.
    »Hundert Rubel?« bot er zaghaft an.
    »Soll das ein Scherz sein? Sie sind hier nicht im Wirtshaus.«
    »Gut, dann dreihundert.« Erast Fandorin legte alle seine

Weitere Kostenlose Bücher