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Fandorin

Fandorin

Titel: Fandorin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Kind!« kam der Einwand eines Majors mit üppigem Schnauzbart, was Fandorin nur noch trotziger werden ließ.
    »Was ist, Graf?« rief er mit verzweifeltem Aplomb und riß endgültig alle Brücken hinter sich ein. »Einen Fünfer zu treffen ist doch nicht leichter als in die eigene Stirn? Fürchten Sie, daneben zu schießen?«
    Surow schwieg, gespannt blickte er den dreisten Herausforderer an, er schien im Geiste etwas abzuwägen.
    »Gut«, sprach er schließlich mit überraschender Kaltblütigkeit, »von mir aus. Die Bedingungen sind akzeptiert. Jean!«
    Ein eifriger Lakai kam auf den Grafen zugeeilt.
    »Einen Revolver, ein frisches Blatt und eine Flasche Champagner«, wies er ihn an, dann raunte er ihm noch etwas ins Ohr.
    Nach zwei Minuten kehrte Jean mit einem Tablett zurück. Er mußte sich zum Tisch durchdrängen, um den nun ausnahmslos alle Besucher des Salons versammelt waren.
    Mit einer routinierten, blitzschnellen Handbewegungkippte Surow den Lauf des Lefaucheux-Revolvers nach vorn, und man sah, daß alle zwölf Patronen im Magazin steckten.
    »Hier ist das Blatt.« Seine Finger rissen die unversehrte Verpackung auf. »Diesmal bin ich in der Vorhand.« Er lachte, schien bei bester Laune zu sein. »Die Regeln sind einfach: Wer als erster eine schwarze Karte zieht, gibt sich die Kugel. Einverstanden?«
    Fandorin nickte. Ihm schwante bereits, daß man ihn betrog, gehörig hinters Licht führte, er war ein toter Mann – noch sicherer als auf zwanzig Schritt Entfernung. Der schlaue Surow hatte ihn glatt ausgespielt. Wie sollte so ein Fuchs nicht die nötige Karte ziehen, noch dazu aus einem eigenen Blatt! Der besaß doch wohl ein ganzes Depot gezinkter Spielkarten!
    Unterdessen hatte Surow, nach theatralischer Bekreuzigung, die oberste Karte aufgedeckt. Es war die Karo Dame.
    »Die liebe Venus!« Der Graf lächelte überlegen. »Die rettet mich immer wieder. Sie sind dran, Fandorin!«
    Zu protestieren oder zu feilschen ging gegen Fandorins Stolz. Ein anderes Blatt zu fordern, war es zu spät. Und die Sache hinauszuzögern war nur peinlich.
    Fandorin streckte die Hand aus und deckte einen Pique Buben auf.

NEUNTES KAPITEL,
    in welchem sich für Fandorin gute Karriereaussichten auftun
    »… und Freund Momos. Der Kasper!« kommentierte Surow und sog genüßlich an seiner Pfeife. »Aber der kann Ihnen auch nicht mehr helfen. Noch ein Schlückchen Champagner für den guten Mut – oder gleich auf den Hof?«
    Mit hochrotem Gesicht saß Fandorin da. Groll schnürte ihm die Kehle zu – nicht auf den Grafen, sondern auf sich selbst, den vollkommenen Idioten, der er war. Der nicht zu leben verdiente.
    »Ich mach’s gleich hier«, stieß er grimmig hervor, wenigstens wollte er den Hausherrn zuletzt noch etwas piesacken. »Ihr flinker Johann kann ja anschließend aufwischen. Und verschonen Sie mich mit dem Champagner – mir brummt der Schädel davon.«
    In solcher Wut, jeden Gedanken vermeidend, packte Fandorin den schweren Revolver, spannte den Hahn, zögerte einen Moment, wohin er schießen sollte – ach, egal! –, schob sich den Lauf in den Mund, zählte still: drei, zwei, eins – und betätigte den Abzug so heftig, daß er sich die Zunge schmerzhaft einklemmte. Ein Schuß war übrigens nicht losgegangen – es gab nur ein trockenes Klicken. Irritiert drückte Fandorin noch einmal ab – es klickte wieder, nur daß das Metall diesmal unangenehm gegen den Zahn schrammte.
    »Nicht schlecht für den Anfang!« ließ Surow sich hören, nahm ihm die Waffe aus der Hand und klopfte ihm auf die Schulter. »Tapferes Bürschchen! Macht Anstalten, sich ohneBrimborium und Hysterie übern Haufen zu schießen. Da wächst eine feine Generation heran, was, meine Herren? Jean, gieß Champagner ein, ich möchte mit Herrn Fandorin Brüderschaft trinken.«
    Erast Fandorin, von einer seltsamen Willenlosigkeit ergriffen, tat, was ihm geheißen. Matt schlürfte er die perlende Flüssigkeit in sich hinein, matt tauschte er den Bruderkuß mit dem Grafen, den er von nun an Ippolit nennen sollte. Alles ringsum lärmte und lachte, doch vermochte Fandorin die Stimmen nicht auseinanderzuhalten. Der Champagner stieg ihm prickelnd in die Nase, die Augen füllten sich mit Tränen.
    »Was sagst du zu meinem Jean?« Der Graf kicherte. »Ruck, zuck hat er die Patronen aus dem Magazin geholt. Das nenn ich fingerfertig, oder etwa nicht, sag doch mal?«
    »Fingerfertig«, stimmte Fandorin teilnahmslos zu.
    »Kann man wohl sagen. Wie heißt du eigentlich

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