Fandorin
weit!« rief einer der Offiziere.
»Ich denke, ich weiß, was ich tue«, stieß Surow durch die zusammengebissenen Zähne, während er kein Auge von Fandorin ließ. »Wenn hier einer ist, der sich beleidigt fühlt, soll er es sagen, ich stehe zur Verfügung.«
Nun herrschte wahre Totenstille.
In Fandorins Ohren rauschte es gräßlich, und er hatte nur eine Angst: jetzt zu kneifen. Das heißt, es gab noch eine – daß ihm die Stimme zittern und seinen Zustand verraten könnte.
»Sie sind ein ehrloser Gauner. Sie wollen Ihre Schuld nicht bezahlen, das ist alles«, sagte Fandorin, und seine Stimme zitterte tatsächlich, doch es war ihm schon egal. »Ich fordere Sie hiermit zum Duell.«
»Sie mimen vor Publikum den großen Helden, hab ich recht?« sagte Surow und verzog den Mund. »Dann wollen wir doch mal sehen, wie Sie sich im Angesicht der Mündung benehmen. Zwanzig Schritt, mit Barriere. Wer zuerst schießt, ist mir gleich, aber anschließend tritt er vor zur Barriere. Na, keine Angst?«
Und ob! dachte Erast Petrowitsch Fandorin. Der trifft aus zwanzig Schritt einen Fünfer, hat Achtyrzew erzählt. Meine Stirn ist größer als ein Fünfer. Und erst mein Bauch. In Fandorin krampfte sich etwas zusammen. Noch nie hatte er eine Duellpistole in der Hand gehabt. Ein einziges Mal hatte ihn Xaveri Gruschin auf den polizeilichen Schießstand mitgenommen und einen Colt ausprobieren lassen. Das war etwas ganz anderes. Der hier erschoß ihn, ohne mit der Wimper zu zucken. Und er kam gleich zur Sache, da war kein Durchmogeln. Zeugen gab es jede Menge. Streit beim Kartenspiel, das kam alle Tage vor. Der Graf würde einen Monat auf der Hauptwache sitzen und dann wie immer, dank der einflußreichen Verwandtschaft, freikommen. Fandorin hatte niemanden. Man würde den Kollegienregistrator in einen Brettersarg legen und verscharren, keiner würde zur Beerdigung kommen, mit Ausnahme von Gruschin und Agrafena Kondratjewna. Und Lisanka würde in der Zeitungdavon lesen und denken: Schade, das war ein netter Polizist, und so jung noch. Aber wahrscheinlich würde sie es gar nicht lesen, von Emma Pfuhl bekam sie gewiß keine Zeitungen in die Hand. Und der Chef würde vermutlich sagen: Ich hab an diesen Idioten geglaubt, und er tappt in die Falle wie ein blindes Huhn. Läßt sich auf ein Duell ein, diesen adligen Firlefanz. Und würde womöglich ausspucken.
»Jetzt sagen Sie wohl nichts mehr?« fragte Surow mit grausamem Grinsen. »Ist Ihnen die Lust am Schießen vergangen?«
Aber Fandorin war eben die rettende Idee gekommen. Man mußte zu dem Duell ja nicht sofort antreten, es reichte morgen früh. Zum Chef zu rennen und zu petzen wäre natürlich schäbig und unwürdig. Aber hatte Brilling nicht erwähnt, noch andere Detektive auf Surow angesetzt zu haben? Dann war es sehr gut möglich, daß einer von Brillings Leuten im Raum war. Er durfte die Herausforderung annehmen, seine Ehre wahren, und wenn anderntags im Morgengrauen die Polizei hier auftauchen und den Grafen Surow wegen Betreibens einer Lasterhöhle in Arrest nehmen würde, traf Fandorin keine Schuld. Er durfte ahnungslos sein –Brilling wußte auch ohne ihn, was zu tun war.
Die Rettung lag sozusagen auf der Hand. Doch plötzlich gewann Fandorins Stimme ein Eigenleben, sie entzog sich der Kontrolle ihres Besitzers, verkündete etwas Ungeheuerliches, und – o Wunder! – sie zitterte nicht einmal dabei: »Nein, durchaus nicht. Aber warum die Entscheidung auf morgen verschieben? Besser, sie fällt hier und gleich. Ich habe gehört, Sie tun den ganzen Tag nichts anderes, als auf Fünfer zu schießen, exakt auf zwanzig Schritt?«
Surow errötete heftig.
»Dann sollten wir beide uns auf etwas anderes verlegen – sofern Sie den Mut dazu haben.«
Schön, wie ihm Achtyrzews Geschichte jetzt zupaß kam! Er mußte sich überhaupt nichts aus den Fingern saugen. Alles war schon fix und fertig ausgedacht.
»Wir lassen die Karten entscheiden. Wen es trifft, der geht auf den Hof und erschießt sich. Ohne alle Barrieren. So gibt es hinterher nur ein Minimum an Scherereien. Jemand hat verspielt und sich eine Kugel in den Kopf geschossen – völlig normal. Und die anwesenden Herrschaften geloben ihr Schweigen. Das tun Sie doch, meine Herren?«
Eine Diskussion entstand, die Meinungen waren geteilt: Die einen zeigten sich sofort bereit, das verlangte Ehrenwort zu geben, andere schlugen vor, den Streit zu vergessen und friedlich miteinander anzustoßen. »Der ist doch noch ein halbes
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