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Fandorin

Fandorin

Titel: Fandorin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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zügeln.
    Endlich seufzte Brilling und begann zu sprechen – langsam und stockend, er mußte wohl noch etwas zu Ende denken.
    »Wahrscheinlich ist das alles Unsinn. Edgar Allan Poe, Eugène Sue. Pure Zufälligkeiten. Aber in einem mögen Sie recht haben: Die Anfrage an die Engländer lassen wir lieber sein. Auch nicht über unseren Residenten an der Londoner Botschaft. Sollten Sie mit Ihren Vermutungen fehlgehen – und das tun Sie bestimmt –, dann stellten wir uns als Hornochsen bloß. Und angenommen, Sie behielten recht, könnte die Botschaft ohnehin nichts ausrichten – die Engländer würden die Beshezkaja verstecken oder uns irgend etwas vormachen. Außerdem sind unseren Gesandten die Hände gebunden – sie stehen viel zu sehr in der Öffentlichkeit … Also gut!« Brilling hieb energisch mit der Faust durch die Luft. »Ich könnte Sie zwar auch hier ganz gut gebrauchen, Fandorin, aber des Menschen Wille ist sein Himmelreich, wie der Volksmund sagt. Ich habe in Ihrer Akte gelesen, daß Sie außer Deutsch und Französisch auch ganz gut Englisch können. Fahren Sie mit Gott nach London zu Ihrer
Femme fatale
! Instruktionen dränge ich Ihnen keine auf, vertraue ganz auf Ihre Intuition. Ich gebe Ihnen einen Mann von der Botschaft an die Seite, Pyshow mit Namen. Er tut dort als einfacher Schriftführer Dienst, so wie Sie hier, ist aber mit anderen Dingen befaßt. Beim Außenministerium wird er als Gouvernementssekretär geführt, bei uns hat er einen noch höheren Rang. Ein vielseitig begabter Mann. Fahren Sie am besten gleich nach Ihrer Ankunft zu ihm. Er ist sehr findig. Im übrigen bin ich mir sicher, daß die Reise umsonst ist. Aber schließlich haben Sie sich das Recht auf einen Irrtumverdient. Schauen Sie sich Europa an. Exkursion auf Staatskosten! Wobei Sie derzeit, vermute ich, ganz gut bei Kasse sind?« Der Chef schielte nach dem Bündel, das herrenlos auf einem Stuhl herumlag.
    Noch ganz perplex von dem, was er eben gehört hatte, fuhr Fandorin zusammen.
    »Ach ja, Pardon, das ist mein Gewinn. Neuntausendsechshundert Rubel, ist nachgezählt. Ich wollte es im Kontor abliefern, aber es war zu.«
    »Ach, hören Sie auf!« Brilling winkte ab. »Sind Sie bei Trost? Was soll denn der Kontorist Ihrer Meinung nach in sein Kassenbuch schreiben?
Eingang Spielgewinn Kollegienregistrator Fandorin
? Apropos, warten Sie mal. So einen kleinen Registrator auf Dienstreise ins Ausland zu schicken macht keinen seriösen Eindruck.«
    Er setzte sich an den Tisch, tauchte die Feder ins Tintenfaß und fing, sich selbst diktierend, zu schreiben an:
    »Also.
Blitztelegramm. An Fürst Michail Alexandrowitsch Kortschakow, persönlich. Abschrift an Generaladjutant Lawrenti Arkadjewitsch Misinow. Euer Hochwohlgeboren, im Interesse Ihnen bekannter Angelegenheit sowie in Anerkennung hervorragender Verdienste bitte ich den Kollegienregistrator Erast Petrowitsch Fandorin extra ordinem und in Außerachtlassung des Dienstalters zum …
ach, was soll’s, am besten gleich zum Titularrat. Ist auch kein sonstwie hohes Tier, aber immerhin
… zum Titularrat zu befördern. Ferner bitte ich, Fandorin zeitweise in das Amt des diplomatischen Kuriers erster Kategorie beim Außenministerium zu erheben.
Damit Sie nicht unnötig an der Grenze aufgehalten werden!« erläuterte Brilling. »So. Datum, Unterschrift. Übrigens werden Sie tatsächlich gleich ein bißchen diplomatische Post befördern: Berlin, Wien, Paris, liegt alles am Weg. Der Konspiration halber, damit keiner Verdacht schöpft. Irgendwelche Einwände?« Brillings Augen blitzten schelmisch.
    »Nein, nein«, stammelte Fandorin, der Mühe hatte, den sich überschlagenden Ereignissen mit den Gedanken zu folgen.
    »Und dann reisen Sie von Paris aus inkognito weiter nach London. Wie hieß das Hotel gleich noch mal?«

ZEHNTES KAPITEL,
    in welchem es um ein blaues Portefeuille geht
    Am frühen Abend des 28. Juni (also dem 16. des in Rußland gültigen Kalenders) hielt vor dem Hotel »Winter Queen«, an der Gray Street gelegen, eine Mietkutsche. Der Kutscher in Zylinder und weißen Handschuhen sprang vom Bock, klappte ein Trittbrett herunter und öffnete, sich verbeugend, den schwarzlackierten Schlag mit der Aufschrift:
     
    DUNSTER & DUNSTER
    SINCE 1848 .
    LONDON REGAL TOURS
     
    Erst streckte sich ein saffianlederner, mit Silbernägeln beschlagener Straßenschuh aus der Tür, dann folgte mit einem behenden Sprung der junge Gentleman in seiner ganzen Pracht: mit üppigem Schnauzer, der zur

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