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Fandorin

Fandorin

Titel: Fandorin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Gesicht nach unten liegend, die Hand mit der schweren Waffe von sich gestreckt. Zwischen den fettigen, falben Haaren im Nacken schimmerte ein schwarzglänzendes Loch, aus dem es dunkel hervorrann.
    »Bist du verletzt?« fragte Surow besorgt, während er den nassen Fandorin drehte und betastete. »Ich verstehe nicht, wie das geschehen kann.
Une révolution dans la balistique
. Eigentlich ganz unmöglich.«
    »Surow, sind Sie das?« röchelte Fandorin, dem allmählich schwante, daß er sich noch im Diesseits befand.
    »Was heißt hier ›Sie‹ – ich dachte, wir hätten Brüderschaft getrunken?«
    »Aber wie… wieso denn?« Fandorin begann schon wieder zu schlottern. »Wieso wollen ausgerechnet Sie mich umlegen? Hat Ihnen Ihr Asasel eine Prämie dafür versprochen? Dann tun Sie es, schießen Sie endlich, verdammt noch mal! Ich hab Sie satt wie dicken Grützbrei!«
    Letzteres war ihm unversehens herausgerutscht, kam wohl aus den Tiefen seiner Kinderstube. Und Fandorin wollte noch eins draufgeben, sich das Hemd auf der Brust aufreißen – hier bitteschön, schieß doch! –, aber Surow packte ihn bei den Schultern und rüttelte ihn grob.
    »Hör auf zu spinnen, Fandorin! Grützbrei? Was für ein Asasel? Dich muß ich wohl erst mal zu Verstand bringen.« Und er verabreichte dem geplagten Fandorin zwei schallende Ohrfeigen. »Ich bin es, Mann, Ippolit Surow. Kein Wunder, wenn dir nach so vielen Mißgeschicken das Hirn ein bißchen weich geworden ist. Komm her, stütz dich auf mich.« Er legte dem jungen Mann den Arm um die Schultern. »Ich bring dich jetzt erst mal ins Hotel. Dort vorn ist mein Pferd angebunden, und der da« – er stieß mit dem Fuß gegen Pyshows leblosen Körper – »hat noch eine Droschke stehen. Damit sind wir schnell wie der Blitz. Wenn du dich ein bißchen aufgewärmt hast und einen Grog intus, kannst du mir erklären, was ihr hier für einen Zirkus veranstaltet.«
    Rabiat stieß Fandorin den Grafen von sich.
    »Nein, mein Freund, ich denke, du hast mir was zu erklären! Wo kommst du überhaupt, hick, her? Wieso verfolgst du mich? Steckst du mit denen unter einer Decke?«
    Surow zwirbelte verlegen seinen schwarzen Schnurrbart.
    »Das läßt sich nicht in zwei Worten sagen.«
    »Na und? Ich habe, hick, Zeit! Und vorher rühre ich mich nicht vom Fleck!«
    »Also gut. Hör zu.«
    Das Folgende hatte Ippolit Surow zu berichten.
     
    »Meinst du, ich habe dir Amalias Adresse nur so aus Spaß gegeben? O nein, Brüderchen, da steckte Psychologie dahinter. Du hast mir gefallen, mußt du wissen – und wie! Du hast so etwas … Ein höheres Zeichen vielleicht, oder was weiß ich. Für solche wie dich hab ich ein Gespür. Es ist, als sähe ich um eure Köpfe einen Glorienschein, so ein zartes Leuchten. Ihr seid ein ganz besonderer Menschenschlag – wer den Nimbus hat, ist vom Schicksal ausersehen, ist gefeit vor aller Gefahr. Wozu ausersehen, weiß derjenige oft selber nicht. Jedenfalls, mit so einem duelliert man sich nicht, da zieht man den kürzeren. Mit so einem spielt man auch nicht Karten – man spielt sich um Kopf und Kragen, und wenn man noch so viele Kunststücke aus dem Ärmel zaubert. Als du mich beim Spiel abserviert hast und dann auch noch die Karten entscheiden lassen wolltest, wer von uns beiden sich die Kugel gibt, da hab ich den Glorienschein an dir entdeckt. Deinesgleichen trifft man nicht alle Tage. Bei uns im Bataillon, wie wir durch die Wüste Turkistans marschiert sind, gab es so einen Oberleutnant, der hieß Ulitsch. Der ist in jeden Hexenkessel marschiert und kam ungeschoren wieder raus, mit einem Lachen. Ob du’s glaubst oder nicht, einmal, vor Chiwa, hab ich mit eigenen Augen gesehen, wie die Garde des Khans eine volle Salve auf ihn abgefeuert hat. Kein Kratzer! Bis er eines Tages übergorenen Kumys getrunken hat – das war’s dann, da mußten wir den guten Ulitsch im Wüstensand verscharren. Aber wieso der liebe Gott in all den Schlachten so sorgsam die Hand über ihn gehalten hat, istmir ein Rätsel. Und so einer bist du, Fandorin, das kannst du mir glauben. Ich hab dich liebgewonnen, und zwar in dem Augenblick, da du ohne langes Federlesen die Pistole angesetzt und abgedrückt hast. Nur weißt du, Bruder Fandorin, mit der Liebe ist das so eine Sache. Wer mir unterlegen ist, den kann ich nicht lieben, und ist mir einer über, dann beneide ich ihn wahnsinnig. Und dich habe ich beneidet. Beneidet um deinen Glorienschein, dein überirdisches Glück. Sieh dich doch an: Schon

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