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Fandorin

Fandorin

Titel: Fandorin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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wieder bist du im Wasser gewesen, ohne dich naß zu machen. Na, sagen wir, fast, haha … mit heiler Haut davongekommen. Und dabei siehst du ganz unscheinbar aus, das reinste Kälbchen!«
    Bis hierhin hatte Fandorin interessiert zugehört und vor Behagen sogar ein wenig Farbe ins Gesicht bekommen, auch das Zittern schien fürs erste vergangen; bei dem Wort Kälbchen jedoch verfinsterte sich seine Miene, und er hickste zweimal erbost.
    »Sei doch nicht beleidigt, ich meine es nicht böse«, sagte Surow und klopfte ihm auf die Schulter. »Jedenfalls hab ich damals gedacht: Den schickt mir der Himmel. Bei so einem beißt Amalia unter Garantie an. Die schaut nur einmal hin und beißt an. Womit ich der teuflischen Verlockung ein für allemal entronnen wäre. Sie hätte mich in Ruhe gelassen, nicht länger gequält, an der Kette gehalten wie einen Tanzbären auf dem Basar. Soll sie doch den Frischling in ihr Fegefeuer ziehen, hab ich gedacht und dir gleich einen Faden in die Hand gegeben, wohl wissend, daß auch du nicht locker lassen würdest … Zieh den Mantel über und nimm einen Schluck. Dich zerreißt es ja fast von dem Schluckauf.«
    Während Fandorin zähneklappernd den großen Flachmann ansetzte, auf dessen Grund der Jamaika-Rum schwappte, warf Surow ihm seinen schicken schwarzen Mantel mit dem purpurnenAtlasfutter über die Schultern. Dann ging er geschäftig daran, Pyshows Leichnam zur Brüstung zu wälzen, darüber hinwegzuhieven und ins Wasser zu stoßen. Ein dumpfes Klatschen – und von dem unheiligen Gouvernementssekretär blieb nur die dunkle Pfütze auf dem Stein.
    »Herr, schenke deinem Knecht … Soundso die ewige Ruhe«, frömmelte Surow.
    »Py-hi-Pyshow!« Erast Fandorin hickste wieder; das Zähneklappern hatte der Rum ausgetrieben. »Porfirius Martynowitsch Pyshow.«
    »Merk ich mir sowieso nicht.« Surow zuckte unbekümmert die Schultern. »Zum Teufel mit ihm. Kleiner Dreckskerl, allem Anschein nach. Einem wehrlosen Menschen mit der Pistole zu kommen – igitt. Er wollte dich umbringen, Erasmus, ist dir das überhaupt klar? Und daß ich dir das Leben gerettet habe?«
    »Ja doch. Erzähl schon weiter.«
    »Weiter ging es bergab. Ich hab dir Amalias Adresse gegeben, und schon am nächsten Tag hat mich die Schwermut gepackt – aber was für eine, Gott bewahre. Ich hab gesoffen, bin zu den Huren gefahren, hab an die fünfzig Tausender auf dem Spieltisch gelassen. Half alles nichts. Weder schlafen noch essen konnte ich. Trinken ging noch. Und immerzu hab ich euch beide vor mir gesehen, wie ihr euch herzt und kost und Witze über mich reißt. Oder gar nicht mehr an mich denkt, was noch schlimmer war. Zehn Tage hab ich so herumgehangen und gemerkt: Gleich schnappe ich über. Kannst du dich an Jean erinnern, meinen Lakaien? Der liegt im Krankenhaus. Er hat nur einmal den Kopf bei mir hereingesteckt, sein Mißfallen zu äußern, da hab ich ihm das Nasenbein gebrochen und zwei Rippen dazu. Eine Schande, Bruder! Ich war wie im Fieber. Am elften Tag raffte ich michauf. Schluß jetzt, hab ich mir gesagt, ich fahre hin und bringe sie um, alle beide, anschließend steche ich mich selber ab. Schlimmer als jetzt kann es nicht mehr werden. Frag mich nicht, wie ich quer durch Europa gekommen bin, ich weiß es nicht. Ich hab gesoffen wie ein Wüstenkamel. Auf der Fahrt durch Deutschland muß ich irgendwie zwei Preußen aus dem Zug geschmissen haben, falls nicht, hab ich es nur geträumt. Erst in London bin ich wieder zur Besinnung gekommen. Und gleich zu dem Hotel. Keiner da – du nicht und sie nicht. Das Hotel war ein rechtes Loch, keines, wo Amalia zu logieren pflegt. Der Portier ein Ganove, spricht kein Wort Französisch, und alles, was ich auf englisch sagen kann, ist
›a bottle of whisky‹
und
›move your ass‹
, das hat mir mal ein Unterleutnant zur See beigebracht: Her mit dem Whisky, aber schnell. Ich hab den Portier, diese englische Morchel, nach Miss Olsen gefragt, und er murmelt nur was in seinen Bart, schüttelt die Rübe und zeigt mit dem Daumen über die Schulter, als wie: Die ist abgereist, wer weiß wohin. Daraufhin hab ich meine Pferde erst mal in deine Richtung laufen lassen. ›Fandorin!‹, sag ich, ›Fandorin,
move your ass
!‹ Er guckt mich an mit runden Augen – nimm’s mir nicht übel: Dein Name muß im Englischen irgendwie unanständig klingen. Jedenfalls war die Verständigung mit dem Heini zum Scheitern verurteilt. Was sollte ich anderes machen, als mich in dem Wanzenloch

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