Fang schon mal ohne mich an - Phillips, C: Fang schon mal ohne mich an
schuldiger wirken lässt.“
„Sie sind ein Mann mit strengen Prinzipien.“ Der General holte tief Luft. „So wie ich. Ich werde mit Sonya über die vertuschte Misshandlung sprechen und ihr auch von Pauls Affäre erzählen. Wenn die Zeit reif ist.“
Hunter neigte seinen Kopf. „Na gut. Wo war Sonya eigentlich, als ihr Mann ermordet wurde?“
„Zu Hause. Edna und Molly haben ihren Wagen in der Auffahrt stehen sehen, und Edna hat sie auch noch im Hof gesehen. Sonya sitzt gerne draußen im Innenhof und betrachtet die Sterne.“
„Das reicht“, sagte Hunter entschlossen. „Sonya hatte keine Gelegenheit.“
„Das ist verdammt richtig.“
„Und Sie fanden die Leiche Ihres Partners am nächsten Morgen, als Sie ins Büro kamen?“ Hunter erinnerte sich, was der Polizist ihm vorher gesagt hatte.
Der ältere Mann antwortete mit einem knappen Kopfnicken.
„Noch eine Sache. Sind Sie nach Hause gegangen, nachdem Sie Sonyas Haus verlassen hatten?“
Frank schüttelte den Kopf.
„Wohin sind Sie gegangen? Und wo waren Sie zum Zeitpunkt des Mordes?“ Der hatte nach Feststellung der Polizei zwischen 22.30 Uhr und 23.30 Uhr stattgefunden, wie Hunter wusste.
Der General rieb sich offensichtlich erschöpft die Augen. „Ich war draußen.“
„Waren Sie mit dem Auto unterwegs?“
Er schüttelte den Kopf. „Ich bin zu Fuß in die Stadt gegangen.“
„Hat Sie jemand gesehen?“
Der General senkte den Blick. „Nein.“
„Haben Sie irgendwo angehalten?“
Der General stöhnte. „Ich war wütend. Und wenn ich wütend bin, dann muss ich erst einmal an die Luft. Fragen Sie meine Familie. Ich hatte kein bestimmtes Ziel. Ich bin einfach nur gelaufen. Sind wir bald fertig? Ich bin müde.“
„Es ist erst einmal genug. Ich werde mich um eine weitere Anhörung kümmern. Ein Freund, mit dem ich die Schule besuchte, ist der hiesige Richter. Wenn es mir gelingt, ein paar Kontakte zu nutzen, dann kann ich wegen der Inkompetenz des bisherigen Anwalts noch heute einen Termin bekommen. Ich werde Sie hier herausholen“, sagte Hunter, während er seine Unterlagen wieder in der Aktenmappe verstaute.
„Das würde ich sehr schätzen. Ich mag in meiner Jugend ja überall geschlafen haben, aber inzwischen bin ich vom Alter und meinem weichen Bett zu verwöhnt.“ Er zwinkerte Hunter zu, der in den Augen und dem Lächeln des Generals eine Ähnlichkeit zu Molly erkannte.
Hunter lachte. „Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde mich um alles kümmern. Wir reden weiter, sobald Sie zu Hause sind.“
Er schüttelte dem Mann die Hand und wartete, bis der Aufpasser ihm wieder die Handschellen angelegt hatte, um ihn in seine Zelle zurückzubringen.
Hunter sammelte seine Sachen zusammen und fuhr, während er über das Gehörte nachdachte, nach Hause. Das Wichtigste, was er heute erfahren hatte, stand auf keinem Papier. Es waren Ausdruck, Stimme und Gefühle des Generals.
Als er herausfand, dass sein bester Freund und Partner ihn betrogen hatte, war Frank ohne Zweifel stocksauer gewesen und sicher wütend und aufgebracht. Doch Hunter hatte in dem, was der General erzählt hatte, keinen mörderischen Zorn entdeckt, und er bezweifelte auch, dass es in jener Nacht so gewesen war. Der Mann konnte seine Gefühle unmöglich so gut verstecken. Das sagte Hunters Bauchgefühl, und dieses Bauchgefühl hatte ihn während seiner brillanten Karriere noch nie betrogen. Er beschloss, Frank zu vertrauen.
Molly hatte recht. Ihr Vater war unmöglich in der Lage, wegen Geld oder aus Rache zu töten. Aber irgendwer hatte es getan, und sobald Hunter die Freilassung des Generals veranlasst hätte, würde er Zeugen oder die Wahrheit herausfinden müssen, denn was er bisher hatte, war reine Intuition, und die würde nicht ausreichen, um einen Freispruch für Mollys Vater zu erwirken.
Gegen sieben am Abend betrat Molly das Haus. Seit sie eingezogen war, hatte sie sich immer mehr an die Geräuschkulisse eines ganz normalen Familienlebens gewöhnt. Doch statt des üblichen Lärms traf sie auf eine ungewöhnliche Ruhe. Molly hasste den Gedanken, dass ihr Vater in einer winzigen Gefängniszelle saß, obwohl er doch hier bei seiner Familie sein sollte. Allein diese Vorstellung schnürte ihr regelmäßig die Kehle zu. Sie war drauf und dran, nach ihrer Großmutter zu rufen, als sie sich daran erinnerte, dass der Kommandeur erwähnt hatte, sie wolle vor dem Abendessen mit Jessie zum Einkaufen fahren.
Molly war zwar nicht von den üblichen Geräuschen
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