Fangjagd
bezeichnenderweise die schwierigste Aufgabe vorgesehen. Er verließ den Bahnhof, stieg in das erste der wartenden Taxis und gab dem Fahrer mit energischer, selbstbewusster Stimme das Fahrtziel an:
„Hotel des Bergues…“
Während der kurzen Fahrt vom Bahnhof ins Hotel dachte Kobler nicht mehr an die beiden Männer. Als erstklassige Führungskraft konzentrierte er sich jetzt nur noch auf die vor ihm liegende Aufgabe. Kobler hatte sich von ganz unten herauf gearbeitet. Da er der einzige war, dem sein Chef blindlings vertraute, gingen im Laufe eines Jahres viele Millionen Franken durch seine Hände.
Diese beherrschende Persönlichkeit, die Frauen jeden Alters beeindruckte, weil sie seine dynamische Energie spürten, konnte in der Klinik, im Labor und in dem Chemiewerk am Zürichsee jede beliebige Anweisung geben. Seine Befehle wurden ausgeführt, als kämen sie vom Chef persönlich.
Koblers Jahresgehalt belief sich auf mehr als 400.000 Franken.
Kobler war Junggeselle und lebte fast ausschließlich für seine Arbeit. Er hatte eine ganze Reihe Freundinnen in verschiedenen Städten – alle nach den gleichen Kriterien ausgewählt. Sie mussten imstande sein, ihm Interna aus den Firmen zu berichten, in denen sie arbeiteten, und sie mussten im Bett gut sein. Diese Art zu leben gefiel ihm. Er kannte keinen Menschen, mit dem er hätte tauschen mögen.
Kobler hatte seinen Wehrdienst in der Schweizer Armee abgeleistet. Er war ein hervorragender Schütze und konnte als Scharfschütze eingesetzt werden, wenn sie aus Nordosten kamen. Nicht falls.
Wenn
die Rote Armee sich in Bewegung setzte. Immerhin würden sie bald abwehrbereit sein – hundertprozentig verteidigungsbereit. Kobler schrak aus seinen Gedanken auf und konzentrierte sich plötzlich wieder auf seine unmittelbare Umgebung, als das Taxi vor dem Hotel des Bergues hielt.
„Ich kenne keinen Manfred Seidler – falls das Ihr wirklicher Name ist“, knurrte Newman ins Telefon. Er verfiel automatisch in die Rolle des Starjournalisten, der viel mit zweifelhaften Informanten zu tun hat. Unbekannte wurden dadurch zunächst in die Defensive gedrängt.
„Ich heiße tatsächlich Seidler“, fuhr die Stimme in deutscher Sprache fort, „und wenn Sie an Informationen über eine für die KB über eine Ostblockgrenze geschmuggelte Spezialsendung interessiert sind, sollten wir uns treffen.
Diese Informationen sind allerdings nicht gerade billig…“
„Mit Rätseln kann ich nichts anfangen, Seidler. Sie müssen sich schon deutlicher ausdrücken!“
„Ich spreche von
Terminal
…“
Das Wort schien in der Luft zu hängen. Newman verspürte ein dumpfes Gefühl in der Magengegend. Er war sich darüber im klaren, daß er behutsam vorgehen musste.
„Wieviel sollen Ihre Informationen denn kosten?“
erkundigte er sich scheinbar gelangweilt.
„Zehntausend Franken.“
„Soll das ein Witz sein? Ich denke gar nicht daran, eine solche Summe auszugeben, um…“
„Es geht darum, daß Menschen sterben, Newman!“ fuhr Seidler erregt fort. „Sie sterben in der Schweiz – Männer und Frauen. Ist Ihnen das vielleicht egal? Hier geht’s um ein scheußliches Verbrechen.“
„Von wo aus rufen Sie an?“ fragte Newman nach einer kurzen Pause.
„Nein, da mache ich nicht mit, Newman…“
„Gut, sagen Sie mir wenigstens, ob Sie in der Schweiz sind.
Ich habe keine Lust, Grenzen zu überqueren. Und ich habe nicht viel Zeit.“
„Ja, ich rufe aus der Schweiz an. Über den Preis können wir noch reden. Wir müssen uns nur bald treffen. Ich lege unseren Treffpunkt fest.“
Newman hatte rasch nachgedacht, während er seine Fragen stellte. Er hatte den Eindruck, daß Seidler tatsächlich in Bedrängnis war und unbedingt mit ihm sprechen wollte.
Deshalb verstieß Newman gegen eine goldene Regel, an die er sich bisher strikt gehalten hatte: Er verriet dem Anrufer sein nächstes Ziel.
„Seidler, ich reise noch heute weiter nach Bern. Ich wohne dort im Bellevue Palace. Rufen Sie mich dort an, damit wir die Einzelheiten besprechen können.“
„Damit Sie Zeit haben, mich überprüfen zu lassen? Kommt gar nicht in Frage!“
„Was Sie bisher gesagt haben, hat mich beeindruckt.“
Newman ließ sich mit Absicht anmerken, daß er irritiert war.
„Sie rufen mich im Hotel an, oder das Geschäft ist schon jetzt geplatzt. Es sei denn, Sie geben mir Ihre Telefonnummer…“
„Nein, nein, ich rufe Sie in Bern an.“
Seidler hängte ein, und Newman ließ den Hörer sinken. Der
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