Fangjagd
-Gassen enden schließlich an der Nydeggbrücke.
Die Querverbindungen bestehen aus einem dichten Netz enger Gassen, in denen man nach Einbruch der Dunkelheit kaum einer Menschenseele begegnet. Und wenn Nebel von der Aare heraufzieht, hängen seine Schwaden zwischen den Bogengängen und verstärken die düster-bedrohliche Stimmung.
Hier in Bern – hauptsächlich in Gebäuden in der Nähe des Hotels Bellevue Palace – gibt es Machtzentren, deren Politik nicht immer mit der von den Bankiers betriebenen übereinstimmt. Der Schweizer Militärische Nachrichtendienst und die Bundespolizei – Arthur Becks Dienststelle – haben ihre Zentralen ganz in der Nähe eines der großartigsten Hotels in Europa. Auf dem Hauptbahnhof fällt dem aufmerksamen Beobachter auf, daß Bern die Stadt ist, wo Deutschschweiz und Westschweiz zusammentreffen. Auf den Hinweistafeln steht
Bahnhof/.
Auf den Schildern am Fuß der Treppen, die zu den Bahnsteigen führen, steht links
Voie
und rechts
Gleis.
Der Schnellzug aus Genf lief pünktlich um 13.58 Uhr ein.
Während der Bahnfahrt hatte Newman, der Nancy an einem Fenster gegenübersaß, seinen behaglichen Platz nicht verlassen. Er hatte die noch verschneite Landschaft betrachtet, bis die Sonne durch die Wolken gebrochen war.
Das grelle Licht zwang ihn immer, sich vom Fenster abzuwenden.
„Unser Zug hält doch öfter, als ich angenommen habe“, stellte er an Nancy gewandt fest. „Lausanne, Fribourg… dann erst Bern.“
„Du siehst sehr ernst, sehr konzentriert aus. Ist in Genf zuviel passiert?“
„Pst, nicht so laut!“ Newman beugte sich nach vorn. „Zuerst mein unfreiwilliger Besuch im Polizeipräsidium, dann unser Freund am Telefon. Das war ein bisschen viel auf fast nüchternen Magen…“
Er hütete sich, Nancy zu erzählen, daß er Julius Nagy gesehen hatte, der in den Wagen Zweiter Klasse unmittelbar hinter ihnen eingestiegen war. Für wen arbeitete Nagy wirklich? Das machte Newman Sorgen. Zumindest waren sie jetzt auf dem Weg nach Bern. Dort wollte er möglichst bald Arthur Beck aufsuchen, der vielleicht der einzige war, der ihm erklären konnte, was hier gespielt wurde, und sicherlich der einzige, der auch bereit war, ihm reinen Wein einzuschenken.
Einige Reihen hinter Newman saß Bruno Köhler. Er hatte seinen Aktenkoffer auf den Sitz neben sich gelegt, um zu verhindern, daß dort jemand Platz nahm. Auch er hatte gesehen, daß Nagy in die Zweite Klasse eingestiegen war.
Er hoffte, daß es Graf gelingen würde, den kleinen Schnüffler – notfalls mit Gewalt – dazu zu „überreden“, in Zukunft für ihn zu arbeiten. Koblers Erscheinung entsprach so genau der eines erfolgreichen Geschäftsmannes, daß er weder Newman noch Nancy aufgefallen war. Aber jemand anders hatte bemerkt, daß er sich für die beiden interessierte – ein Reisender, den selbst Kobler übersehen hatte.
Lee Foley hatte im Nichtraucherabteil des Großraumwagens Platz genommen, das durch eine bis zur Hälfte verglaste Schwingtür vom Raucherabteil getrennt war. Auf der Fahrt nach Lausanne war Foley zweimal aufgestanden, um langsam und umständlich eine Zeitschrift aus seiner in der Gepäckablage liegenden Reisetasche zu holen.
Foley war der einzige, der alles übersah. Durch den Glaseinsatz der Tür beobachtete er den grimmigen Gesichtsausdruck, mit dem Newman aus dem Fenster starrte. Und er sah, daß der Schweizer Geschäftsmann, der einige Plätze hinter den beiden saß, Newman und seine Begleiterin immer wieder kurz anstarrte. Dieses harte Gesicht würde Foley so leicht nicht wieder vergessen.
Er beobachtete noch mehr. Nagy erschien am anderen Ende des Raucherabteils und sah kurz hinein. Nur einige Sekunden. Plötzlich tauchte ein kleiner, stämmiger Mann neben ihm auf. Foley sah Nagys verblüfften Gesichtsausdruck. Die beiden Männer verschwanden auf der Zugtoilette. Foley reagierte, ohne zu zögern.
Er durchquerte das Raucherabteil, ohne die dort sitzenden Reisenden eines Blickes zu würdigen, öffnete die Tür am anderen Ende, wartete ab, bis sie sich automatisch geschlossen hatte, und horchte an der Toilettentür. Als er ein ersticktes Würgen und Röcheln hörte, streckte er die Hand aus, um an der Klinke zu rütteln, ließ sie aber gleich wieder sinken. Er konnte es sich nicht leisten, Aufmerksamkeit zu erregen. Foley kehrte auf seinen Platz zurück.
In der Toilette umklammerte Graf Nagys Hals mit dem linken Arm, während er mit der Rechten die Maschinenpistole aus der Reisetasche
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