Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fangjagd

Fangjagd

Titel: Fangjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
Vom Netzwerk:
Desinfektionsmitteln, die Newman stets mit Krankenhäusern in Verbindung brachte und deshalb nicht ausstehen konnte. Novak blieb vor einer Tür auf der rechten Korridorseite stehen – auch diese Tür hatte einen runden Milchglaseinsatz. Er zog eine anders farbige Computerkarte aus der Brusttasche seines Kittels.
    „Sie sind natürlich den Umgang mit Patienten gewöhnt“, sagte er zu Nancy. „Aber ich habe die Erfahrung gemacht, daß man doch anders reagiert, wenn der Patient ein Verwandter ist. Er ist natürlich außerstande, mit Ihnen zu sprechen…“
    „Ja, ich verstehe.“
    Novak steckte die Karte in den Schlitz neben der Tür, wartete, bis die Schiebetür lautlos zur Seite geglitten war, und ließ den beiden dann mit einer Handbewegung den Vortritt. Newman folgte Nancy, die ruckartig stehenblieb, während Novak und Astrid hinter ihnen das Krankenzimmer betraten und die Tür sich automatisch schloss. Er legte ihr eine Hand auf den Arm.
    „Immer mit der Ruhe, junge Frau …“
    „Darum geht’s nicht!“ flüsterte sie kaum hörbar. „Er ist
wach,
Bob!“
    In dem weiß lackierten Krankenbett, das mit dem Kopfende an der gegenüberliegenden Wand stand, lag ein hagerer alter Mann mit einer Adlernase, schütterem weißen Haar, hoher Stirn, schmalen Lippen und energischem Kinn. Sein Gesicht hatte eine frische Farbe. Als Nancy hereingekommen war, hatte er für Bruchteile von Sekunden die Augen geöffnet, dann aber sofort wieder geschlossen. Newman bezweifelte, daß Novak und Astrid diesen kurzen Blick bemerkt hatten, denn er hatte genau zwischen ihnen und dem Alten gestanden.
    „Wie Sie sehen, schläft er friedlich“, sage Novak halblaut.
    „Er ist körperlich sehr robust – für sein Alter in erstaunlich guter Verfassung.“
    „Wie beurteilen Sie seinen Gesundheitszustand?“ fragte Nancy leise. „Glauben Sie, daß er…“
    „Er ist ein sehr kranker Mann“, warf Astrid ein. „Ein sehr, sehr kranker Mann!“
    Newman, der sich bewusst etwas im Hintergrund hielt, vergrub seine Hände in den Hosentaschen und beobachtete die anderen. Er hatte den Eindruck, daß Novak froh war, daß sie gekommen waren. Froh? Nein,
erleichtert.
Und das nicht etwa nur, weil Nancy eine Kollegin war. Astrid schob die Unterlippe vor und sah auf ihre Uhr.
    „Sie dürfen höchstens fünf Minuten bleiben. Keine Minute länger…“
    Der Engländer wandte sich an den Arzt. „Dr. Novak, ich verlange, daß Sie diese Frau wegschicken. Wie kommt sie überhaupt dazu, uns eine bestimmte Besuchsdauer vorschreiben zu wollen? Sie sind Jesse Kennedys Arzt – das hat Dr. Kobler uns selbst erklärt. Seien Sie also bitte so freundlich, sich durchzusetzen!“
    „Sie sorgen gefälligst dafür, daß dieser Besuch keine Sekunde länger als fünf Minuten dauert…“ Astrid sprach rasend schnell auf Deutsch auf Novak ein. „Wenn Sie’s nicht tun, melde ich Professor Grange, was hier passiert ist! Sie…“
    „Sagen Sie ihr, daß sie sich zum Teufel scheren soll“, unterbrach Newman die Dicke. „Oder kann die alte Schachtel Ihnen etwa Befehle erteilen? Novak! Sind Sie der hier zuständige Arzt oder nicht?“
    Waldo Novak war rot geworden. Er antwortete Astrid in ebenso schnellem Deutsch, indem er über die Schulter hinweg mit ihr sprach. „Können Sie sich Granges Reaktion vorstellen, wenn er erfährt, daß Sie hier eine Szene gemacht haben? Ist Ihnen nicht klar, welche Folgen es haben wird, wenn diese Leute aus der Klinik stürmen und Krach schlagen? Newman ist ein international bekannter Journalist, verdammt noch mal! Verschwinden Sie also gefälligst…“
    Die Dicke protestierte noch, als er bereits seine Computerkarte in den Schlitz neben der Tür steckte. Die Schiebetür glitt zur Seite. Astrid biß sich auf die Unterlippe und schlurfte in den Korridor hinaus. Während die Tür sich wieder schloß, warf sie einen letzten wütenden Blick in das Krankenzimmer. Novak wandte sich mit einem um Entschuldigung bittenden Lächeln an die beiden Besucher.
    „Diesen Typ gibt’s in jeder größeren Institution. Die treue Mitarbeiterin, die weiterhin geduldet wird, weil sie seit Urzeiten zum Personal gehört.“
    „Sie ist selbst ein alter Dinosaurier“, stellte Nancy fest.
    Sie hatte ihre Handtasche geöffnet und benützte ihr Taschentuch, um sich die Augen abzutupfen. Newman fiel auf, daß Jesses knorrige Hand jetzt auf der Bettdecke lag.
    Als sie hereingekommen waren, hatte sie darunter gelegen.
    Seine Augen waren noch immer geschlossen.

Weitere Kostenlose Bücher