Fangjagd
…“
„Mit Vergnügen!“
„Bevor Sie fahren, müssen Sie die Anmeldeformulare an der Reception ausfüllen“, verlangte Astrid kategorisch. „Das ist bei uns Vorschrift!“
„Mit Vergnügen“, wiederholte Newman, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen.
Der herannahende Abend kündigte sich durch merklich niedrigere Temperaturen an, als die beiden auf der Treppe vor der Glasveranda standen. Aber es war noch hell, als Newman seine Handschuhe anzog und der zitternd neben ihm stehenden Nancy einen Arm um die Schultern legte.
Novak war nicht mit herausgekommen, um sie zu verabschieden; wahrscheinlich wollte er nicht den Eindruck allzu großer Vertraulichkeit erwecken.
„Kalt?“ fragte Newman.
„Nein, mir ist nur diese so genannte Klinik unheimlich. Mein erster Eindruck hat sich voll und ganz bestätigt. An dieser ‚Klinik‘ ist etwas faul, Bob…“
„Darüber können wir unterwegs reden. Wenn wir uns beeilen, können wir noch bei Tageslicht wieder in Bern sein.“
Newman fuhr langsam die Zufahrt hinunter und sah sich noch einmal um, weil er sich die Lage der Gebäude zueinander einprägen wollte. Die kahlen, schroffen Berge jenseits von Thun leuchteten in der blassen Wintersonne.
Nancy vergrub sich in ihren Nerzmantel und stellte die Heizung höher. Sie blickte nach rechts und links und sah zuletzt sogar durchs Rückfenster.
„Hier ist niemals jemand zu sehen – und trotzdem habe ich das unheimliche Gefühl, ständig beobachtet zu werden.
Dabei bin ich sonst bestimmt nicht ängstlich. Da – genau das meine ich!“ Als sie auf das Pförtnerhäuschen zu fuhren, blieb alles still, aber das Tor öffnete sich wie von Geisterhand.
Newman fuhr durchs Tor, bog nach rechts ab und folgte der schmalen Zufahrtsstraße, an deren Beginn der Wegweiser zur Klinik stand. Nancy betrachtete sein Profil.
„Du hast dich in letzter Zeit verändert“, stellte sie fest. „Diese Veränderung begann, nachdem wir ein paar Stunden in Genf waren.“
„Verändert? Inwiefern?“
„Früher bist du so fröhlich gewesen, hast immer gelächelt und Witze gerissen. Jetzt bist du schrecklich ernsthaft und entschlossen. Warum bist du übrigens hinter den Männern mit der Bahre hergelaufen, als wir aus Jesses Zimmer kamen?
Novak hat offensichtlich geglaubt, du seist plötzlich übergeschnappt.“
„Was hat deiner Meinung nach unter dem großen Leintuch gelegen?“
„Irgendein armer Teufel, der eben das Zeitliche gesegnet hatte…“
„Bewegen Tote normalerweise die Hand? Genau das hat die angebliche Leiche unter dem Tuch getan.“
„Mein Gott, das ist ja schrecklich! Das Tuch war aber übers Gesicht gezogen…“
„Wie man’s sonst nur bei Toten macht“, ergänzte Newman.
„Aber in diesem Fall hat der Patient durchaus noch gelebt.
Ich vermute, daß er uns gehört und versucht hat, uns ein Zeichen zu geben. So, jetzt weißt du, warum ich hinter dem Wagen hergelaufen bin. Die beiden Krankenwärter sind schneller gewesen, und die Tür – natürlich eine automatische – hat sich vor meiner Nase geschlossen. Dieser verdammte Bau erinnert mehr an ein Computerzentrum als an eine Klinik.“
„Willst du damit sagen, daß sie vor dir weggelaufen sind? Ich dachte, die Bremsen des Wagens hätten versagt… Wohin führt der Korridor eigentlich?“
„Eine gute Frage! In einer vom Haupteingang nicht einsehbaren Senke steht ein neu erbauter Gebäudekomplex. Ich glaube, daß er mit der Klinik durch eine Art Tunnel verbunden ist. Der Korridor mündet in diesen Tunnel.“
„Was für ein Gebäudekomplex?“
„Das, meine liebe Nancy, gehört zu den Fragen, die ich unserem Freund Dr. Novak stellen werde, wenn ich mich in Thun mit ihm treffe.“
„Er will sich mit dir treffen? Das ist eigenartig. Wo seid ihr verabredet? Ich darf doch mitkommen?“
„Wo wir uns treffen, spielt keine Rolle. Ich find’s auch merkwürdig, daß er zu einem Gespräch mit mir bereit ist. Und du darfst diesmal nicht mitkommen…“
„Schuft! Was glaubst du, weshalb er sich auf ein Treffen mit dir eingelassen hat?“ fragte Nancy, als sie die Autobahn überquerten und die enge Kurve der Einfahrt hinunter rollten.
„Ich habe das Gefühl, daß er vor irgend etwas große Angst hat.
Und ich vermute, daß er auf eine Gelegenheit gewartet hat, mit einem vertrauenswürdigen Außenstehenden Verbindung aufzunehmen. Er wird sich mir hoffentlich anvertrauen.“
Newman machte eine Pause. „Warum machst du dir solche Sorgen wegen der Klinik
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