Fangjagd
Bern?“
„Ist dir aufgefallen, was in Jesses Zimmer gefehlt hat?“ lautete ihre Gegenfrage.
„Nein, nichts. Ich hab’ mich zu eindringlich mit Novak unterhalten – um dein Gespräch mit Jesse zu tarnen. Was habe ich übersehen?“
„Das sage ich dir später“, versprach Nancy ihm, „wenn wir wieder im Hotel sind. Glaubst du, daß Jesse dort seines Lebens sicher ist?“
„Ja, zumindest in nächster Zeit. Hast du nicht mitbekommen, weshalb ich so laut mit Novak gesprochen habe? Hinter dem Lüftungsgitter ist ein Tonbandgerät installiert.“
„Diese Klinik wird mir immer unheimlicher…“
„Ich habe es darauf angelegt“, fuhr er fort, „sie einzuschüchtern, damit sie ihm nichts antun. Sie müssen Jesse mit Samthandschuhen anfassen, bis dieser Ärztekongreß vorbei ist. Bis dahin wissen wir hoffentlich, was in der Klinik Bern vor sich geht. Ich wollte damit nur Zeit gewinnen.“
Sie hatten die Einfahrt hinter sich gelassen und fuhren die nur schwach befahrene Autobahn in Richtung Bern. Newman hatte bereits das Licht eingeschaltet und näherte sich einer Einfahrt unter einer Brücke. Im Rückspiegel sah er einen schwarzen Mercedes mit hoher Geschwindigkeit herankommen, der blinkend auf die Überholspur überwechselte. Im nächsten Augenblick brach auf der Autobahn die Hölle los.
Hinter Newman tauchte plötzlich ein Geländemotorrad auf, dessen Fahrer den Daumen auf dem Hupknopf behielt, während er auf- und abblendete. Der Mercedes war noch nicht neben ihnen. Newman runzelte die Stirn und kniff die Augen zusammen. Am Ende der Einfahrt rollte ein orangeroter LKW mit angebautem Schneepflug langsam auf die Autobahn zu.
Die Motorradhupe gellte weiterhin warnend.
„Was will der Kerl von uns?“ fragte Nancy nervös.
Bevor sie ausgesprochen hatte, betätigte Newman den Blinker und zeigte damit an, daß er noch vor dem heranrasenden Mercedes auf die Überholspur wechseln wollte. Der Schneepflug verließ plötzlich die Beschleunigungsspur und blockierte die rechte Fahrbahn. Newman trat das Gaspedal durch und zog nach links. Der Mercedes hupte nun ebenfalls.
Er ignorierte dieses Hupen. Nancy schloss unwillkürlich die Augen. Das orangerote Ungetüm flitzte im Scheinwerferlicht an ihr vorbei. Der Mercedesfahrer bremste, um den drohenden Auffahrunfall zu verhindern. Während Newman mit weit über dem Geschwindigkeitslimit liegendem Tempo davonschoß, schlängelte sich das Motorrad an dem jetzt stehenden Schneepflug vorbei und überholte auch den Mercedes.
In der schwarzen Limousine sah Hugo Münz, der am Steuer saß, fluchend zu Emil Graf auf dem Beifahrersitz hinüber. Er nahm den Fuß vom Gas und kontrollierte im Rückspiegel, ob etwa ein Streifenwagen hinter ihnen war. Aber weit und breit waren keine anderen Fahrzeuge in Sicht.
„Du hättest ihn rammen sollen!“ sagte Graf.
„Bist du übergeschnappt? Was meinst du, was passiert wäre, wenn wir bei dieser Geschwindigkeit ins Schleudern geraten und gegen die Leitplanke gerast wären? Dann wären wir jetzt beide tot! Dieser Motorradfahrer hat ihn gewarnt…“
„Seine Organisation ist also besser, als wir ihm zugetraut haben“, stellte Graf nüchtern fest. „Wir müssen uns was anderes einfallen lassen!“
14
Blanche Signer saß in einer Nische in der Bar im Bellevue Palace, während Newman ihre Drinks bestellte. Sie war nach ihrer wilden Motorradfahrt kurz auf der Toilette gewesen, um vor dem Treffen mit dem Engländer ihr tizianrotes Haar zu kämmen und ein wenig Rouge aufzulegen.
Die 30jährige Tochter eines Obersten der Schweizer Armee leitete den erfolgreichsten Suchdienst Westeuropas. Ihre Spezialität war die Suche nach untergetauchten Personen. Sie hatte Newman heimlich geholfen, Krüger aufzuspüren, als dieser in den Untergrund gegangen war. Sie war entschlossen, Newman seiner angeblichen Verlobten Nancy Kennedy abzujagen.
„Heute gibt’s für beide von uns einen doppelten Scotch“, sagte Newman, der die Drinks gleich mitgebracht hatte. Er setzte sich neben Blanche auf die gepolsterte Bank, auf der so wenig Platz war, daß ihre Beine sich berührten. „Du hast dir deinen ehrlich verdient.
Cheers!“
„Weißt du, Blanche“, fuhr er fort, nachdem er sein Glas halb ausgetrunken hatte, „du hast vorhin auf der Autobahn verdammt viel riskiert. Ich hab’ nachträglich noch Angst um dich gehabt…“
„Das ist nett von dir, Bob. Wie groß ist übrigens die Gefahr, daß Nancy uns hier überrascht?“
„Sie nimmt gerade ein
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