Fangjagd
verlassen, daß unser Gespräch streng vertraulich bleibt?“ Beck wartete ab, bis der Engländer schweigend genickt hatte. „Damit sind wir beim Kernpunkt der ganzen Sache angelangt. Der Militärische Nachrichtendienst hat mich ersucht, eine Großfahndung nach Manfred Seidler einzuleiten. Er soll irgendeine wichtige Erfindung aus dem Horgener Chemiewerk gestohlen haben.
Sobald wir ihn gefaßt haben, sollen wir ihn dem Nachrichtendienst übergeben. Sofort! Ohne ihn zuvor zu vernehmen.“
„Und das gefällt Ihnen nicht?“
„Damit finde ich mich auf gar keinen Fall ab! Sollten wir Seidler fassen, verhöre ich ihn, um zu erfahren, was hier gespielt wird!“ Beck schlug wütend mit der flachen Hand auf die Schreibtischplatte. „Zu sehen ist das Ganze vor folgendem Hintergrund, Bob“, fuhr er ruhiger fort: „Unsere Verteidigungspolitik ist gegenwärtig in zwei Interessengruppen gespalten. Der Goldklub vertritt die Auffassung, wir sollten zu energischeren Maßnahmen greifen, um die Schweiz gegen die Gefahr aus dem Osten zu schützen. Diese Leute plädieren sogar dafür, Guerillaeinheiten aufzubauen spezielle Sabotageteams
außerhalb
unserer Grenzen zu stationieren. Vor allem in Bayern. Das wäre ein eindeutiger Verstoß gegen unsere Neutralitätspolitik.“
„Tut mir leid, das verstehe ich nicht, Beck. Weshalb befaßt sich eine Vereinigung von Bankiers mit militärischen Fragen?“
„Weil die meisten dieser Bankdirektoren zugleich Reserveoffiziere der Schweizer Armee sind, mein Freund.
Nicht nur untere Chargen, sondern Majore, Oberstleutnants und dergleichen. Sie haben in Militärkreisen, in denen die Strategiedebatte am erbittertesten tobt, verständlicherweise großen Einfluss. Der Goldklub, der für eine aggressive Vorwärtsverteidigung eintritt, scheint allmählich die Oberhand zu gewinnen. Eine unheimliche Entwicklung! Und diese Leute versuchen auch, meine Ermittlungen in Bezug auf die Klinik Bern zu blockieren …“
„Sie haben vorhin gesagt, der Fall Nagy sei der zweite Mord gewesen.“ Newman beugte sich vor. „Und der erste?“
Beck stand auf, trat an seinen Stahlschrank, schloss die Tür auf und kam mit einer Akte zurück, die er Newman gab. Der Aktendeckel war mit einem roten Stempel versehen:
Vertraulich!
Newman schlug die Akte auf und las auf der ersten Seite:
Fall Hannah Stuart.
„Wer ist diese Hannah Stuart?“
„Sie ist eine amerikanische Patientin in der Klinik Bern gewesen, die Ende Januar zu Tode gekommen ist. Sie können es in der Akte nachlesen. Ich habe einen Augenzeugen, einen Landarbeiter, der spät abends mit dem Rad an der Klinik vorbeigekommen ist. Er hat ausgesagt, er habe eine Frau auf den Zaun, der das Klinikgebäude umgibt, zulaufen sehen – eine kreischende, von Hunden gehetzte Frau …“
„Richtig, das Gelände wird von Dobermännern bewacht.“
„Ja, ich weiß. Das war die Nacht, in der Hannah Stuart gestorben ist.“
„Haben Sie das Klinikpersonal nicht Ihrem Zeugen gegenübergestellt?“ erkundigte Newman sich.
„Das wäre zwecklos – und würde verraten, welchen Trumpf ich in Händen habe. Außerdem hat der Zeuge sich schon einmal in psychiatrischer Behandlung befunden.“
Beck beugte sich vor und sprach eindringlich weiter. „Aber er ist inzwischen völlig geheilt! Ich selbst habe ihn vernommen und bin davon überzeugt, daß er die Wahrheit gesagt hat. Der Mann ist vernünftig genug gewesen, seine Beobachtungen der Kantonspolizei in Bern mitzuteilen. Pauli hat mich benachrichtigt, und ich habe den Fall übernommen. Diese Frau ist – auf welche Weise auch immer – ermordet worden.“
„Hier steht, daß sie an Herzversagen gestorben ist. Der Leichenschein ist von Dr. Waldo Novak unterschrieben…“
„Der zufällig ebenfalls Amerikaner ist. Ein merkwürdiges Zusammentreffen!
„Könnten Sie nicht eine Exhumierung beantragen?“ schlug Newman vor.
„Die Tote ist feuerbestattet worden. Dadurch hat es ernste Schwierigkeiten gegeben. Ein Vertreter der amerikanischen Botschaft hat offiziell Beschwerde eingelegt. Hannah Stuart muss ziemlich reich gewesen sein, und ihr Sohn, der Alleinerbe, war begreiflicherweise wütend, denn in ihrem ursprünglichen Testament hatte sie verfügt, sie wünsche in der Familiengruft in Philadelphia beigesetzt zu werden.“
„Aber wie hat die Klinik es dann geschafft, die Feuerbestattung zu rechtfertigen?“
„Dr. Bruno Kobler, der Geschäftsführer, hat eine von Hannah Stuart unterzeichnete Erklärung vorgelegt,
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