Fangschuss
aufgestanden und schienen sich nicht einmal ein bisschen zu wundern, wie ich hereingekommen war. Das Mädchen hatte rote Locken und smaragdgrüne Augen, sie trug einen schwarzen, seidig glänzenden Unterrock, der ihr knapp über die Pobacken reichte.
»Mein Name ist Vijay Kumar und ich würde euch gern ein paar Fragen stellen.«
Das klang eindeutig nach Staubsaugervertreter oder einem Zeugen Jehovas. Ich guckte trotzdem cool, wie ich mir vorgenommen hatte.
»Dann leg mal los.«
Irritiert schaute ich dem Mädchen in die Augen und verlor für einen Moment den Faden.
»Äh … also: Wo ist Philipp?«, stammelte ich.
»Phil ist weg«, brummte der kräftigere der beiden Burschen. Er hatte kurzes, blondes Haar, einen Kissenabdruck auf der linken Wange, war etwas untersetzt und trug nichts als verwaschene Boxershorts.
»Hm«, bestätigte der andere, der dünn und groß gewachsen war. An seinem knochigen Oberkörper schlotterte ein weißes Unterhemd, die Beine steckten in ausgebeulten grauen Trainingshosen. Eine fettige, dunkelbraune Haarmatte bedeckte sein schmales Gesicht zur Hälfte.
Das Mädchen warf mir einen wachsamen Blick zu. »Bist du von der Polizei?«
Ich schüttelte den Kopf. »Privatermittler. Ines hat mich beauftragt, Philipp zu suchen.«
»Pff«, machte der Blonde.
»Ness«, ergänzte der andere.
Das Mädchen lächelte entschuldigend. »Ness ist manchmal etwas überbesorgt.«
»Kompliziert.«
»Anders.«
»Wann habt ihr Philipp zuletzt gesehen?«
»Äh …«, machte der Blonde.
»Hm …«, ergänzte der andere.
»Donnerstag?«
»Ja, eventuell. Freitag?«
»Könnte auch sein.« Der Hagere guckte nachdenklich an die Wand und kratzte sich am Kinn.
»Rauchst du mit?« Der Blonde streckte mir einen Joint in der Größe eines Megafons entgegen.
»Nein, danke.«
Das Mädchen lächelte und stellte eine weitere Tasse auf den Tisch. »Kaffee aber schon?«
Ich nickte und setzte mich auf einen Hocker. Das Mädchen reichte mir Milch und Zucker. Die Milch roch komisch und der weiße Klumpen im Zuckerstreuer regte sich nicht mal ein bisschen, als ich ihn schüttelte, also trank ich den Kaffee schwarz.
»Bist du aus Marokko?«, fragte sie.
»Indien.«
»Ah, schön. Nach Indien wollte ich schon immer mal«, sagte sie, als hätte ich ihr gerade eine wichtige Entscheidung abgenommen.
»Was könnt ihr mir über Philipp erzählen? Ich muss ihn finden und dabei könnte jeder noch so kleine Hinweis hilfreich sein.« Ich versuchte, eindringlich zu klingen, doch das schien niemanden zu beeindrucken.
»Hm, Phil ist …«
»Cool.«
»Genau. Cool.« Der Hagere gab den Joint zurück an den Blonden und starrte wieder an die Wand.
»Voll in Ordnung.«
»Easy.«
»Dealt ihr auch?«
Augenblicklich herrschte Totenstille in der Küche. Das Mädchen hatte aufgehört, mechanisch in ihrer Tasse zu rühren, und starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an.
»Ness!«
»Pff!«
Der Blonde fixierte mich. »Und du bist sicher kein Schmierlappen?«
»Sehe ich so aus?«
Er zuckte unsicher mit den Schultern.
»Danke.«
Jetzt grinste er. »Nur allerfeinste Ware. Nichts, was wir nicht selbst auch nehmen würden. Obwohl …«
Er deutete auf die durchsichtige Plastiktüte, die vor ihm auf dem Tisch lag und mit einer Alpenkräuterteemischung gefüllt zu sein schien. »Ich persönlich bevorzuge das.«
Der Hagere stieß ein meckerndes Lachen aus. »Darauf kannste wetten!«
Sie tauschten einen Handschlag aus und freuten sich offensichtlich. Worüber war mir nicht ganz klar.
»Und vom andern … nur Eins-a-Stoff. Kein Vergleich mit dem Zeug, das du auf der Straße kriegst.«
»Kaum gestreckt«, schaltete sich der Hagere wieder ein. »Nicht so wie bei den Schwarzen oder den Dominikanern.« Er deutete auf die Langstrasse. »Und wir liefern nach Hause.«
Ich hatte es offensichtlich mit zwei ausgekochten Marketingprofis zu tun.
»Und wohin liefert ihr?«
Sie verstummten und senkten die Köpfe.
»Wohin und woher, auf diese Fragen wirst du nie eine Antwort kriegen.« Das Mädchen strich sich eine Locke aus der Stirn und lächelte mich an. Ich fragte mich, zu welchem der beiden Jungs sie gehörte.
»Phil hat von einem Megadeal gesprochen. Wisst ihr was davon?«
Die beiden Jungs tauschten einen beunruhigten Blick aus. »Aber das bleibt unter uns.«
»Großes Detektivehrenwort.«
»Er hat dreihundert Gramm besorgt.«
»Für wen?«
Das Mädchen seufzte und rollte mit den Augen. »Alles war topsecret, wir haben nichts
Weitere Kostenlose Bücher