Fangschuss
du Gift nehmen.«
Ich wollte gerade erwidern, dass die Suche nach einer nicht verschwundenen Perserkatze kaum vergleichbar sei mit dem Aufspüren verantwortungsloser Hundehalter und ihrer bisswütigen Tölen, doch im letzten Moment realisierte ich, dass es wohl klüger war, den Mund zu halten. Man muss sich nicht unnötig lächerlich machen, wenn man es vermeiden kann.
Die Bedienung kam endlich mit unseren Getränken. Sie stellte die Gläser mit spitzen Fingern hin, als widere sie alles und insbesondere wir beide an. José schnitt eine Grimasse und roch an der dampfenden, trübbraunen Flüssigkeit, auf der eine fette Sahnehaube zerschmolz.
»Immerhin war sie nicht geizig mit dem Schnaps. Auf uns!«
Wir stießen an und tranken.
»Hinter was bist du gerade her?«
Ich lieferte einen detaillierten Überblick. José lachte kurz bei der Katzengeschichte, die ich jetzt doch erwähnte; als ich hingegen von dem Megadeal und Philipps Verschwinden erzählte, hörte er mir aufmerksam zu.
»Von diesen unglaublichen Drogenlieferungen habe ich auch schon gehört. Doch bis anhin habe ich das immer für einen Mythos gehalten, weil niemand etwas Genaues wusste. Immer war es der Freund eines Freundes, der jemanden kannte, der angeblich damit zu tun gehabt hatte. Und die Spur verlief immer im Sande, wenn ich sie etwas weiter verfolgte. Aber wenn du mehr erfährst …«
Ich grinste. »Dann würde ich sicher nicht als Erstes dich anrufen. Vielleicht später, wenn alles vorbei wäre und ich Philipp gefunden hätte. Vorher würdest du mir mit einem Zeitungsbericht nur die Ermittlungen versauen. Doch ich denke, die Meldung wäre auch ein paar Tage später noch eine kleine Sensation.«
»Oder sogar eine große. Je nachdem, wer alles darin verwickelt ist.«
»Ich kann förmlich sehen, wie die sensationslüsternen Räder in deinem Boulevardjournalistengehirn ineinandergreifen: Ex-Miss und ihre kolumbianische Leidenschaft! TV-Moderator stopft Karriereloch mit Drogen! Ehemaliges Skiass kurvt wieder im Schnee! Das wären Meldungen, die die Auflage explodieren lassen würden.«
José verzog mit gespielter Beleidigung den Mund. »Vielleicht bei den billigen Klatschblättern, die dankbar sind für die faden Skandälchen der ganzen Schweizer Drittligaprominenz. Ich hätte lieber etwas mit weniger Ex, dafür mit mehr Klasse.«
»Viel billiger als Gratiszeitung geht’s wohl kaum.«
»Man wird doch noch Ambitionen haben dürfen.«
Ich grinste. »Wenn ich etwas rausfinde, wirst du es als Erster und Einziger erfahren. Versprochen.«
»Na, dann hoffe ich, dass du was taugst.« José leerte das Glas in einem Zug und sah mich dann fragend an. Ich nickte schicksalsergeben, und er winkte der Bedienung so lange, bis sie nicht mehr vorgeben konnte, sie sähe ihn nicht. Mit verächtlich hochgezogenen Augenbrauen stöckelte sie zur Kaffeemaschine.
Es war kurz nach fünf, als ich in die Dienerstrasse einbog. Ich hatte das Gefühl, nur leicht zu wanken, doch an den besorgten Blicken der Passanten bemerkte ich, dass dem wohl nicht so war. Aber gemessen an der Tatsache, dass ich sechs Schümli Pflümli auf beinahe nüchternen Magen intus hatte, benahm ich mich noch ziemlich angepasst. Das war die jahrelange Übung. Eine gute Ausbildung zahlte sich immer aus, gerade wenn es ums Trinken ging. Als ich mich am Treppengeländer hochhangelte, klingelte mein Telefon.
»W…wie…«, lallte ich.
»Vijay, ich weiß. Hör mal zu.«
Mirandas Stimme drang rau an mein Ohr. Das Telefon zwischen Unterkiefer und Schulter geklemmt, versuchte ich, das Schlüsselloch zu treffen.
»Ich bin ganz Ohr, meine Süße.«
Nach mehrmaligem Versuch klappte es und ich schloss die Wohnungstür auf. Marie Antoinette kam mit hoch erhobenem Schwanz auf mich zu stolziert und strich mir um die Beine.
»Ich habe ein, zwei Dinge in Erfahrung gebracht. Triff mich in einer halben Stunde in der Zukunft. «
»Du klingst wie ein Zeitritter.«
»Ritterin, wenn schon.«
»Eine Art transformierte Jeanne d’Arc in dem Fall.«
»Trans ist schon mal gut.« Miranda lachte trocken. »Du bist angetrunken. Psychisch belastende Zeugenbefragung, nehme ich an.«
Ich grunzte.
»Bis nachher, Sherlock.«
»Warte! In den Filmen ist es doch immer so, dass die Person mit den wichtigen Informationen dann eben nicht am Treffpunkt auftaucht, weil sie irgendwo vom Bösewicht aufgeschlitzt rumliegt.«
»Du weißt doch, wie scharf mich Bösewichte machen.«
»So genau wollte ich das nicht wissen.
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