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Fangschuss

Fangschuss

Titel: Fangschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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blondierten Haare hatte er wohl mit Melkfett zurückgeschmiert, damit man die eiternden Pickel auf seiner Stirn besser bewundern konnte. Ich beschloss, aufs Plaudern zu verzichten, und legte Philipps Foto auf den Tisch. »Ich suche den da. Kennt ihr ihn?«
    Sofort herrschte angespannte Stille im Raum. Der Junge mit dem schlechten Gebiss funkelte mich gefährlich an. »Bist von Schmier oder was, Mann?«
    Er sprang auf und kam auf mich zu. Instinktiv wich ich zurück, doch ich war nicht flink genug. Als ich das metallische Klicken vernahm, spürte ich die eiskalte Klinge bereits an meinem Hals.
    »Wir mögen nicht keine Schmier hier.«
    Der Rest der Village People nickte synchron und guckte böse, soweit ich das aus meiner Position mitverfolgen konnte.
    »Ich bin nicht Schmier«, keuchte ich.
    Es spielte keine Rolle. Der Junge hatte gerade keine Lust, sein Konzept zu ändern. »Schmier ist Scheiße, Mann. Da kennen wir keine Gnade. No mörssi, weisch.«
    Sein Schweißgeruch und das billige Parfüm, mit dem er ihn zu übertünchen versuchte, verschlugen mir den Atem.
    »Mach dich nicht lächerlich, du kleiner Wichser.« Der Druck der Klinge nahm zu, ehe ich den Satz beendet hatte.
    »Sagst du noch mal Wichser zu mir …«
    »Weswegen suchst du ihn?« Winkler hatte sich nicht gerührt. Ein feines Lächeln überzog seinen Eierkopf.
    »Seine Freundin vermisst ihn. Er war angeblich zuletzt hier.«
    »Wir kennen ihn nicht, Mann!«
    »Du hast dir das Foto gar nicht angesehen, Blödmann.«
    »Sagst du noch mal Blödmann zu mir …«
    »Hört auf!«
    Winkler guckte mich gelangweilt an. »Lass ihn los, Ramiz!«
    Der Junge gab mich unwillig frei. Ich stand auf und fuhr mir mit der Hand über den Hals. »Arschloch!«
    »Sagst du noch mal Arschloch zu mir …«
    Ramiz machte einen drohenden Schritt auf mich zu.
    »Woher hast du die Telefonnummer?«, fragte Winkler ruhig.
    Ich schwieg.
    »Raus hier!« Jetzt lächelte er nicht mehr.
    »Aber ich will doch nur …«
    »Hast du nicht gehört, Mann. Verpiss dich!« Ramiz ließ erneut die Klinge hervorschnellen. Ich beeilte mich rauszukommen.
     
    Draußen lehnte ich mich an die Hauswand und schnappte nach Luft. Meine Beine zitterten und das Hemd war klitschnass geschwitzt.»Verdammt!«
    Ich ballte die Hände zu Fäusten. Ich hatte rein gar nichts erfahren. Nicht einmal, ob Philipp jemals dort gewesen war, geschweige denn, weswegen sie sich gestritten hatten. Benommen wankte ich die Hohlstrasse entlang und schaffte es bis zur Sonne, einem Lokal, das ich sonst mied wie die Pest. Doch heute waren meine Bedürfnisse drängender. Nach zwei rasch hinuntergestürzten Jägermeistern war mir merklich besser.
    In meinem Büro angekommen, setzte ich mich an den Schreibtisch, bereute, dass ich keinen neuen Amrut geholt hatte, und surfte ziellos im Internet. In der Zwischenzeit wies meine Homepage ein paar Besucher mehr auf. Ich informierte mich über die Tagesaktualitäten, überprüfte den Posteingang meines E-Mail-Kontos und löschte die Anzeige für verbilligtes Viagra im Zwölferpack auf der Stelle. Schließlich landete ich auf der Seite des virtuellen Stadtführers ronorp, wo sich einsame Herzen wiederzufinden versuchten, die sich vor Tagen in der Straßenbahn gesehen hatten und zu verklemmt gewesen waren, sich bemerkbar zu machen, oder zu sehr damit beschäftigt, ihre genaue Position auf dem Streckennetz der VBZ ins Handy zu schreien. Weiter gab es Hinweise auf Ausstellungen und Konzerte, und im Forum tobte die ewige Diskussion, wie viele Deutsche dieses Land ertrage und wann denn das Boot endlich voll sei. Die Geschichte wiederholte sich immer wieder, doch ich konnte mir vorstellen, dass andere ausländische Bevölkerungsgruppen erleichtert waren über die ganze Aufregung, gerieten sie doch dadurch selbst einen Moment lang aus der Schusslinie.
    Ich legte eine CD ein, nicht Bob Dylan, wie das andere Detektive unablässig und geradezu mit religiösem Eifer taten, wenn man gewissen Romanen Glauben schenken konnte, sondern Guns N’ Roses. Nichts gegen Bob Dylan, aber der gehörte für mich in den Fundus des Gestrigen, etwas, das meine Generation nicht mehr miterlebt hatte, genauso wenig wie die Achtundsechziger, die Achtziger, Globuskrawalle und Kampf fürs AJZ oder Demonstrationen gegen AKWs. Ich kannte das Augenrollen und herablassende Schnauben zur Genüge, wenn man an einem lauen Sommerabend vor dem Xenix saß und zufälligerweise in eine dieser Nostalgiediskussionen zwischen engagiert

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