Fangschuss
auf den niedrigen Salontisch aus Rauchglas, der zusammen mit der kühlen Atmosphäre zwischen mir und Frau von Salis-Stadelmann stand. Diese winkte die Bedienstete mit einer beiläufigen Handbewegung aus dem Zimmer, und ein wenig überrascht stellte ich fest, dass das Mädchen keinen Knicks machte, bevor es ebenso geräuschlos, wie es hereingekommen war, die Tür hinter sich schloss. Frau von Salis-Stadelmann stieß einen unterdrückten Seufzer aus, der wohl nicht für meine Ohren gedacht war, hob den Kopf und musterte mich zum ersten Mal beinahe interessiert.
»Sind Sie diskret?«
»Davon lebe ich.«
Sie nickte und schwieg dann wieder, als bereute sie das eben Gesagte bereits.
»Wie sind Sie auf mich gekommen?«, versuchte ich, das Gespräch wieder aufzunehmen.
»Frau Georget hat mir von Ihnen vorgeschwärmt. Sie seien der beste Katzenfinder, dessen Dienste sie je in Anspruch genommen hätte.« Ein süffisantes Lächeln wagte sich kurz bis zu ihren Mundwinkeln vor, wurde aber sogleich wieder verbannt.
»Babsi … äh … Frau Georget hat mich empfohlen?« Ich war überrascht.
»Wir treffen uns manchmal bei Wohltätigkeitsveranstaltungen. So auch gestern Abend.«
»Der Auftrag war nicht allzu schwierig«, gab ich den Bescheidenen.
»Das kann ich mir denken. Die Katze soll ja eine regelrechte Ausreißerin sein.« Wieder dieser Anflug von einem Lächeln. Die Ironie war jedoch unüberhörbar. Frau von Salis-Stadelmann hob ihre Tasse, blies mit spitzen Lippen hinein und nahm dann einen kleinen Schluck.
»Und da ich so gut im Katzenfinden bin, dachten Sie, ich sei qualifiziert genug, auch Ihren Mann zu beschatten.«
Klirrend stellte sie das Tässchen auf den Tisch und warf mir einen kühlen Blick zu. »Ich will wissen, wo er sich herumtreibt.«
»Er treibt sich herum?«
Mit ihrer Handkante zerschnitt sie die Luft in dünne Scheiben. »Nicht so, wie Sie sich das wahrscheinlich vorstellen. Aber er verreist seit einiger Zeit immer wieder mal für ein Wochenende. Angeblich aus geschäftlichen Gründen.« Frau von Salis-Stadelmann hielt inne.
»Und?«
»Er benimmt sich neuerdings merkwürdig«, fügte sie mit fester Stimme an. »Äußerst merkwürdig sogar.«
»Und das tat er zuvor nicht?«
»Glauben Sie mir, an meinem Mann war bis anhin nichts merkwürdig.«
Ich blickte sie erstaunt an. »Sie vermuten, dass eine Frau dahintersteckt.«
»Wäre doch ein interessanter Aspekt, nicht?«
»Ein interessanter Aspekt?«, echote ich und suchte in ihrer Mimik vergebens nach einem Anzeichen von Ironie. Doch alles, was ich entdeckte, war die jahrelange Enttäuschung, die sich in ihre Mundwinkel graviert hatte.
Sie zuckte mit den Schultern. »Nennen Sie es, wie Sie wollen.«
»Was sagt Ihr Mann dazu?«
Sie starrte mich verständnislos an. »Mein Mann?«
»Haben Sie ihn danach gefragt?«
Sie scheuchte die Frage mit einer Handbewegung weg wie eine lästige Fliege. Jetzt erst fiel mir auf, wie oft sie ihre Hände benutzte, wenn sie sprach.
»Finden Sie raus, was er treibt. Dafür bezahle ich Sie.«
Ich nickte und bemühte mich, professionell zu wirken. »Wo finde ich Ihren Mann?«
»Er ist Vizedirektor der Bank Canis. «
Irritiert stellte ich fest, wie sie »Vize« betonte. Sie spuckte das Wort regelrecht aus, als widere es sie unsäglich an.
»Beobachten Sie ihn. Mit wem und wohin er zum Lunch geht, was er nach der Arbeit macht, an den Abenden, an denen er angeblich Sitzungen hat, wo er diese Wochenenden verbringt und mit wem. Einfach alles.«
»Soll ich auch seine Telefonate abhören?« Mir schauderte bei dem Gedanken. Der Aufwand wäre riesig gewesen, der Ertrag wahrscheinlich gering.
Gott sei Dank schüttelte Frau von Salis-Stadelmann den Kopf. »Verzichten Sie vorläufig auf die James-Bond-Spielereien. Ich will nur wissen, wen er trifft und wo. Erstatten Sie mir baldmöglichst Bericht.«
»Gibt es etwas, das ich über Ihren Mann wissen müsste? Etwas Besonderes? Eigenheiten?«
Sie lachte kurz und höhnisch. »Sie kennen meinen Mann nicht.«
Fragend sah ich sie an.
Ihre Hände flatterten durch die Luft wie betrunkene Nachtfalter. »Da gibt es nichts. Rein gar nichts.«
Ich hörte dem Regen zu, der auf das Dach meines Käfers trommelte, während ich eingehend die Fotografie des Vizedirektors studierte, die mir Frau von Salis-Stadelmann, mit Betonung auf ›von Salis‹, überlassen hatte. Sie schien ihn für einen kompletten Langweiler zu halten und trotzdem wollte sie wissen, mit wem er die
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