Fangschuss
diesem deutlich anzusehen.
Die Bedienung brachte die belegten Brötchen, doch der Direktor scheuchte sie mit einer harschen Handbewegung zurück, worauf sie unverzüglich mit zwei Tüten wiederkam. Rasch verließ er das Lokal, Stadelmann bezahlte und stolperte ihm unbeholfen hinterher. Wütend zischte der Direktor Stadelmann ein paar Worte zu, die ich nicht verstehen konnte, und ging dann mit raschen Schritten auf den Bahnhof Enge zu. Nach einigen Metern wandte er sich nochmals um und rief im Befehlston: »Kümmern Sie sich um die Angelegenheit! Und zwar sofort!«
Wie benommen blieb Stadelmann vor dem Restaurant stehen. Dann setzte er sich zögerlich in Bewegung, es war mehr ein Schlurfen, die Last auf seinen Schultern schien ihn förmlich zu Boden zu drücken. An der Kreuzung nestelte er ein Handy aus seiner Manteltasche und tätigte einen Anruf. Rasch holte ich auf und versuchte, das Gespräch zu belauschen, doch der Regen und der Verkehrslärm verhinderten, dass ich viel verstand.
»Ja, heute noch. Es eilt. Es geht um den Geheimbund der Diana «, war das Einzige, was ich heraushören konnte, dann beendete er das Gespräch auch schon.
Ich stutzte. Geheimbund der Diana? Das klang nach Verschwörung, nach uralten Männerverbindungen, nach heimlichen Treffen in feuchten Kellern, während draußen der Sturm tobte. Es klang nach billiger Mystik, altväterisch und umständlich. Und was bedeutete Diana? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Stadelmann und seine Bundesgenossen der berühmten ehemaligen Kindergärtnerin huldigten, deren Flucht aus dem Bannkreis des englischen Königshofs und vor den Paparazzi so brutal von einem Pariser Betonpfeiler gestoppt worden war. Grübelnd blieb ich stehen, während Stadelmann in der Bank verschwand.
Um was auch immer es hier ging, es schien mir ziemlich sicher, dass er keine Affäre hatte. Ich war mir jedoch nicht ganz so sicher, ob das auch seine Frau freuen würde.
Während Wasser in die Badewanne rauschte, suchte ich im Internet nach Hinweisen zum Geheimbund der Diana. Der Verein hatte keine Homepage, dafür wurde mir klar, dass mit Diana kaum die blasse Ex-Prinzengattin gemeint war, sondern viel eher eine römische Göttin, zuständig für die Fruchtbarkeit, die sich im Verlauf der Zeit von der Beschützerin der Frauen und Mädchen und bevorzugt angebrüllten Helferin bei Niederkünften zur Göttin des Todes und der Hexen wandelte, bevor sie sich als Jagdheilige etablierte. Eine bewegte Karriere. Ich beschloss, später darüber nachzudenken, was ich mit den neu gewonnenen Informationen anfangen sollte. Zuerst das Bad. Und Amrut.
Das Wasser war so heiß, dass ich befürchtete, mich gleich in Dampf aufzulösen. Doch nach einigen Augenblicken hatten sich meine durchgefrorenen Glieder an die Temperatur gewöhnt, und entspannt lehnte ich mich im nach Lavendel duftenden Schaum zurück. Aus der Stereoanlage rechtfertigte sich Amy Winehouse, sie hätte ja gleich gesagt, dass sie Stunk machen würde. Ich trank einen Schluck Amrut. Ein Glas hatte ich mir gegönnt, zum Aufwärmen, als Trost für den verregneten Morgen, als Mittagessenersatz, als Mutmacher für den anstehenden Besuch bei Winkler. Es gab immer einen Grund für Amrut, und wenn nicht, war ich Weltmeister darin, einen zu erfinden. Ich hatte mich gerade so richtig schön in der Wärme eingeigelt, als das Telefon klingelte. In weiser Voraussicht hatte ich es in Griffnähe, sprich auf dem Toilettendeckel, platziert. Das Display verriet mir, dass es meine Mutter war, die am anderen Ende ungeduldig darauf wartete, dass ich abnahm. Ich ließ es klingeln und versank tiefer im Wasser, bis der Schaum meine Nase kitzelte. Dafür ragten jetzt die Knie in die Luft und fühlten sich sogleich unangenehm kühl an. Die Badewanne musste aus einer Zeit stammen, als die Leute nicht größer als eins sechzig wurden. Kaum hatte das Telefon aufgehört zu klingeln, begann es von Neuem. Seufzend richtete ich mich auf. Vielleicht hatte Manju gerade ihren Eisprung, und meine Mutter wollte keine Sekunde länger mit den Enkelkindern warten. Zugetraut hätte ich es ihr. Lustlos nahm ich ab.
»Hombre!«
»Am Apparat.«
José lachte. »Du klingst so bedrückt.«
»Ich liege in der Badewanne.«
»Schon?«
»Gibt es dafür festgelegte Zeiten?«
»Noch nicht, aber wenn unsere Polizeivorsteherin so weitermacht wie bisher, dann sicher bald.«
Ich grinste. Die Polizeichefin der Stadt war bekannt für ihre rigorosen und spaßfeindlichen
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