Fangschuss
und der Wagen kurz darauf am Imbissstand vorbeibrauste. Dann erst getraute ich mich, wieder normal zu atmen.
»Noch eins?«, fragte der Wurstverkäufer und deutete auf mein Bierglas, während er mich misstrauisch musterte. Ich nickte und brachte beinahe ein Lächeln zustande.
Ich sinnierte gerade über die Leere, die sich nach einem Triumph wie diesem in einem breitmachte, als plötzlich Winkler im Hauseingang erschien. Er sah sich kurz um und ging dann mit forschen Schritten auf die Kanonengasse zu. Das passte mir gar nicht in den Kram, eigentlich hatte ich ihn gleich aufsuchen wollen. Ich beeilte mich zu zahlen, trank mein Bier auf ex und nahm in angemessenem Abstand die Verfolgung auf. Allerdings bot die Straße nicht gerade eine üppige Deckung. Wenn er sich zufälligerweise umgedreht hätte, wäre ich ziemlich unverborgen dagestanden. Also hielt ich mich an Hauswände, geparkte Autos und Straßenlaternen und hoffte, dass er vorwärts guckte, was er glücklicherweise auch tat. Er war zielstrebig unterwegs, ließ das Zeughaus links liegen, ging an der Polizeikaserne vorbei, überquerte die Sihl und bog dann bei der Gessnerallee rechts ab. Ich bemühte mich, genügend Distanz einzuhalten, ohne ihn dabei aus den Augen zu verlieren. Das City-Hallenbad beachtete er nicht, was mich nicht weiter verwunderte, er war nicht der Typ, der den Nachmittag im Planschbecken oder beim Synchronschwimmen verbrachte. Stattdessen steuerte er auf die Börse zu und hielt sich dann links Richtung See, und erst als er an der Kreuzung anhielt, bemerkte ich fassungslos, wohin er uns geführt hatte.
Ich starrte auf die Furcht einflößenden Hundeköpfe, die so echt wirkten, als könnten sie jeden Moment aus der Wand springen, und versuchte, den Überblick zu behalten. Winkler war gegenüber der Bank Canis stehen geblieben und zog jetzt sein Handy aus der Jackentasche. Ich schloss meinen offen stehenden Mund, drückte mich gegen die Hausfassade und schlich etwas näher an ihn heran, ohne jedoch ein Wort zu verstehen, was er sagte. Winkler beendete das Gespräch, zündete sich eine Zigarette an und starrte auf die gegenüberliegende Straßenseite, wo sich in dem Moment die Tür zur Bank öffnete. Stadelmann blickte sich suchend um, bis er Winkler entdeckte, dann machte er ihm ein unauffälliges Handzeichen und eilte Richtung Bahnhof Enge davon. Winkler folgte ihm und ich natürlich ebenso. Hätte man schmissige Musik dazu gespielt und hätten nicht alle so ernst dreingeguckt, wäre es sicher eine tolle Polonaise geworden.
Ich versuchte, meinen Abstand beizubehalten, während mein Gehirn auf Hochtouren arbeitete. Der Fall, oder besser gesagt meine beiden Fälle hatten eine ungeahnte Wendung genommen: Sie hingen offensichtlich zusammen. Wie und in welchem Ausmaß, darüber konnte ich momentan nur spekulieren, eindeutig war jedoch, dass sich Stadelmann und Winkler kannten, und dies wohl kaum vom Golfspielen. Andererseits konnte ich mir kaum vorstellen, dass Stadelmann etwas mit Drogen zu tun hatte, genauso wenig wie Winkler mit Anlagefonds.
Stadelmann betrat jetzt den Bahnhof und ging an der McDonald’s-Filiale vorbei auf die Gleise zu. Winkler folgte ihm unverzüglich. Als ich den Bahnsteig erreichte, waren die beiden bereits in ein Gespräch verwickelt. Ich duckte mich hinter einem mit Postsäcken beladenen Gepäckwagen. Aufgeregt redete Stadelmann auf den Expolizisten ein, worauf dieser ungehalten reagierte. Nur zu gern hätte ich gewusst, worüber die beiden sprachen, doch da sie mitten auf dem Perron standen, war es unmöglich, näher an sie heranzuschleichen, ohne unweigerlich entdeckt zu werden, oder etwas von ihrer Unterhaltung mitzubekommen. Die Lautsprecheransagen und die vorbeidonnernden Züge übertönten alles. Äußerst clever ausgesucht, dachte ich verärgert, das hätte ich Stadelmann nicht zugetraut.
Winkler kratzte sich am Kinn und schien zu überlegen, dann sagt er etwas zu Stadelmann, worauf dieser den Kopf wiegte und schließlich ergeben mit den Schultern zuckte. Sekundenlang zitterte seine ausgestreckte Hand in der Luft, dann ergriff Winkler sie endlich und drückte sie widerwillig. Ich schnappte nach Luft. Er war nur kurz zu sehen gewesen, doch er war so auffällig, dass ich ihn sofort erkannt hatte: den massiven, goldenen Ring mit hellblauem Siegel an Stadelmanns rechter Hand. Und das Siegel zeigte nicht einen stilisierten Wolf oder einen Fuchs, wie Balthasar gemeint hatte, sondern einen Hund. Das Emblem der
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