Fangschuss
Bank Canis. Ich war mir absolut sicher, auch wenn ich es nur flüchtig und aus der Ferne gesehen hatte. Während ich Stadelmann fassungslos musterte, durchzuckte mich die Erkenntnis wie ein Blitz: Auch die Beschreibung, die mir Balthasar von seinem Kunden gegeben hatte, passte exakt zu Stadelmann. Das bedeutete, dass dieser sich im Fetischladen mit Sexspielzeug eindeckte. Viel wichtiger aber war, dass er offenbar Philipp kannte, woher auch immer. Schließlich war er nach Balthasars Angaben aus dem Laden gerannt, als er Philipp darin entdeckt hatte. Die beiden Fälle näherten sich immer mehr an, und noch immer hatte ich keinen Schimmer, wo die entscheidende Verbindung lag, an welcher Stelle die ganze Geschichte zusammenhing und was es mit diesem ominösen Geheimbund der Diana auf sich hatte.
Doch ich würde es herausfinden, jetzt war ich umso fester dazu entschlossen. Dieser neu entdeckte Ehrgeiz fühlte sich gut an. Und ungewohnt. Vorsichtig richtete ich mich auf, um mich rückwärts aus dem Staub zu machen. Doch irgendetwas hinderte mich daran. Irritiert tat ich einen Schritt in die eine Richtung, dann in die andere, ohne freizukommen. Erst dann begriff ich, dass sich meine Jacke im Gitter des Gepäckwagens verfangen hatte. Genau in diesem Moment hob Stadelmann den Kopf, blickte zu mir herüber und kniff die Augen zusammen. Ich duckte mich und hielt den Atem an. Erst nach einer kleinen Ewigkeit wagte ich es, über den Wagen zu lugen. Stadelmann hatte sich wieder Winkler zugewandt. Eilig packte ich den Saum meiner Jacke, drückte mit aller Kraft gegen den Wagen und riss mich los. Ein girrendes Geräusch ließ mich zusammenzucken. Ich fuhr herum und bemerkte entsetzt, dass sich der Wagen verselbstständigt hatte und nun direkt auf Winkler und Stadelmann zurollte. Ich wollte schreien, doch gerade noch rechtzeitig kam mir in den Sinn, dass dies nicht nobelpreisverdächtig gewesen wäre, also hielt ich die Klappe und verfolgte wie gelähmt die Fahrt des Wagens, der jetzt immer schneller zu werden schien. Endlich blickte Winkler auf und bemerkte die Gefahr, wie in Zeitlupe trat er zur Seite und zerrte Stadelmann zu sich hin. Gerade noch rechtzeitig, denn schon schoss der Gepäckwagen haarscharf an ihnen vorbei und krachte mit ohrenbetäubendem Lärm in die Bahnhofsmauer. Winkler riss den Kopf hoch und blickte in meine Richtung. Augenblicklich zog ich mich hinter den Mauervorsprung zurück. Eiskalt lief es mir den Rücken hinunter und mein Magen verwandelte sich innert Sekundenbruchteilen in einen Betonbrocken. Dann begann ich zu rennen. Ich hatte keine Ahnung, ob er mich entdeckt und vielleicht sogar erkannt hatte, doch mein Bedürfnis, das herauszufinden, war relativ gering. Schon hörte ich hinter mir schnelle Schritte. Ich wusste, dass ich keine Chance hatte, wenn ich auf den Bahnhofsvorplatz floh, also steuerte ich den erstbesten Laden an, ein Blumengeschäft. Beim Hineinstürmen lächelte ich der Verkäuferin beschwichtigend zu und hechtete hinter einen Wall üppiger Blumenarrangements. Empört folgte mir ihr Blick, sie holte tief Luft, doch ich legte den Finger an die Lippen und deutete nach draußen. Sie schüttelte den Kopf und wandte sich wieder ihren Blumen zu, dabei murmelte sie verächtlich etwas vor sich hin, das verdächtig nach »Männer!« klang.
Jetzt konnte ich Winkler auch sehen, mit angespanntem Gesicht spähte er nach allen Seiten, dann kam er direkt auf den Blumenladen zu. Er hatte mich also auf dem Bahnsteig entdeckt. Hatte er mich auch erkannt? Dann säße ich ziemlich tief in der Scheiße. Mittlerweile wusste ja die halbe Stadt, wo ich wohnte. Die Glocke über der Ladentür klingelte und schwere Schritte waren zu hören. Ich getraute mich nicht einmal mehr zu denken und duckte mich, so tief es ging, hinter die Blumenbouquets. Eine herabhängende Lilienblüte, die abscheulich süß roch, kitzelte meine Nase. Winkler durchschritt einmal den Laden, dann blieb er knapp einen Meter von mir entfernt stehen, ohne die Verkäuferin zu beachten, die ihn mit Unschuldsmiene fragte, was er denn wünsche. Er schnaubte unwirsch, dann stampfte er wieder hinaus. Erst jetzt getraute ich mich wieder zu atmen. Keuchend nickte ich der Verkäuferin, einer kleinen, rundlichen Südländerin mit auftoupiertem Haar, zu und bedankte mich, worauf sie mit den Augen rollte und begann, einen Blumenstrauß zusammenzustellen. Ich blieb, wo ich war, und rührte mich nicht. Winkler war immer noch in der Nähe. Gerade stürmte er
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