Fangschuss
Salis-Stadelmann, die heute ein filigranes Goldgeschmeide über einem tannengrünen Kaschmirpullover trug und einen Rock aus hellem Wildleder, bedeutete dem Mädchen mit einer ungeduldigen Handbewegung, den Raum zu verlassen.
»So einiges.«
»Wie heißt sie?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ihr Mann hat keine Affäre, das kann ich bereits jetzt mit ziemlicher Sicherheit sagen.«
Enttäuscht verzog sie die Lippen und führte die dampfende Porzellantasse an dieselben.
»Aber er hat Kontakt zu einem stadtbekannten Drogendealer.«
Das Tässchen sank wieder Richtung Tisch, ihr Mund öffnete und schloss sich, und einen Moment lang flackerte etwas wie Interesse oder Neugier in ihrem Blick auf. Doch dann erlosch die Regung auch schon wieder und die Tasse kehrte zum Mund zurück. »Das ist unmöglich.«
»Ich habe die beiden gesehen. Sie haben verhandelt, worüber, werde ich noch herausfinden.«
»Mein Mann und Drogen. Das wäre wie …« Ihre linke Hand schraubte sich auf der Suche nach einem passenden Vergleich wie ein Falke in die Höhe und stieß dann ebenso rasant wieder herunter.
»Wie Paris Hilton und ein Hochschulabschluss?«, kam ich ihr zu Hilfe. Sie deutete ein müdes Lächeln an.
»Aber trotzdem ist dem so. Er kauft ja auch Sexspielzeug.«
Sie zuckte zusammen. »Woher wissen Sie das?«
»Mein Job. Wollten Sie mir dazu etwas sagen?«
Ihre Lippen wurden schmal. »Kaum.«
Während des nun folgenden kühlen Schweigens ließ ich meinen Blick erneut über die Einrichtung wandern. Über den Picasso, den Cézanne, bis ich zur Mahagonitruhe gelangte und dem unsäglichen ausgestopften Wiesel. Frau von Salis-Stadelmann hatte meine Besichtigungstour aufmerksam verfolgt. Jetzt verzog sie abschätzig die Mundwinkel. »Mein Mann ging früher gern zur Jagd. Eine Art Hobby, wie er sagt, das er mit seinem Vorgesetzten, Doktor Seeholzer, ausübte. Das scheußliche Wiesel ist ein Geschenk von ihm. In letzter Zeit ist ihnen der Sport aber scheinbar verleidet.«
»Sagt Ihnen der Geheimbund der Diana etwas?«
Sie winkte verächtlich ab. »So hieß der Jagdklub, dem Seeholzer und mein Mann angehörten. Schulbubenzeugs, kindisch und lächerlich, wie Männer halt manchmal sind. Als ändere ein mystischer Name etwas an der Tatsache, dass sie dort oben unschuldige Tiere abknallen. Sie haben sich sogar Ringe machen lassen, die ihre Zugehörigkeit zum Geheimbund demonstrieren sollte.«
»Lassen Sie mich raten: Massivgold mit hellblauem Siegel, darauf ein stilisierter Hundekopf?«
»Das Emblem der Bank Canis. «
»Wer war alles Mitglied in diesem Geheimbund?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Nur die besten Kunden, Geschäftsfreunde aus aller Welt, was weiß ich.«
»Einen Augenblick.« Ich beugte mich vor und begutachtete eine gerahmte Fotografie, die auf der Truhe stand. Sie hatte mich die längste Zeit schon irritiert, erst jetzt erkannte ich weshalb. Beim letzten Mal hatte ich das offensichtlich übersehen. Aufgeregt sprang ich auf. Diesmal war es an mir, mit den Händen herumzufuchteln. »Wer ist das da auf dem Foto?«
Sie sah mich pikiert an. »Ich, als ich unwesentlich jünger war.«
»Nein, ich meinte den daneben.«
»Mein Mann, den kennen Sie jetzt ja.«
»Und?«
»Mein Sohn.«
»Ihr Sohn?«
»Natürlich.«
»Wo ist Ihr Sohn jetzt?«
Sie blickte mich lange an. Dann nahm sie einen Schluck aus ihrer Tasse. »Wir haben seit Längerem keinen Kontakt mehr.«
»Weswegen?«
»Fragen Sie meinen Sohn.«
»Das würde ich gerne. Nur kann ich das nicht, weil Ihr Sohn vermisst wird. Und zwar von seiner Freundin!«
»Philipp hat eine Freundin?«
»Nichts, das zu Ihren Möbeln passen würde.«
Jetzt endlich hatte ich die Antwort, weshalb Stadelmann aus dem Fetischladen geflohen war. Er hatte seinen Sohn darin entdeckt.
»Seit wann wird er vermisst?«
»Seit letzten Freitag.«
»Und Sie haben noch keine Spur von ihm?« Sie schien jetzt ernsthaft besorgt.
»Doch. Und diese Spur führt direkt zu Ihrem Mann.«
Sie sog scharf die Luft ein. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die beiden miteinander zu tun haben.«
»Wieso nicht?«
»Weil Philipp meinen Mann verachtet.«
»Verachtet?«
»So hat er das wortwörtlich beim letzten großen Streit gesagt. Bevor er abgehauen ist. Verachten würde er ihn, für seine Unentschlossenheit, dafür, dass er nie Eigeninitiative zeige, dass er einen Job mache, den er nicht ausstehen könne, einzig der Karriere zuliebe. Zudem würde er sich allen anpassen, seinem Chef, seinem
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