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Fangschuss

Fangschuss

Titel: Fangschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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unverhohlenem Kalkül Heidiland nannte, danach ging es schier endlos geradeaus, während sich zu beiden Seiten der Autobahn düster und grau die Bergketten erhoben. Dichter Nebel dampfte aus dem Nadelwald. Gipfel waren keine zu erkennen, sie wurden von den Regenwolken verschluckt, die wie bösartige Pilze an den Hängen über der Baumgrenze lauerten. Die ›Gunners‹ inszenierten längst mit Streichern und viel Pathos den November Rain, was perfekt zur Stimmung passte. Wir ließen Chur hinter uns und das Tal wurde immer enger, die Bergwände rückten zusammen. Die Abhänge waren voller Geröll und Schutt. Felsbrocken, die sich beim letzten Jahrhundertunwetter gelöst hatten und in die Tiefe gestürzt waren, ragten wie die verwitterten Zacken auf dem Rücken einer Urechse aus dem steinigen Terrain. Alles war braun und schlammig. Zum Teil wuchsen bereits wieder Nadelbäume auf den unwirtlichen Steinhaufen. Verwitterte Burgruinen und kleine Schlösser waren immer wieder auf Hügelspitzen zu erkennen. Irgendwann bog der Offroader links ab und wir fuhren auf einer schmalen Landstrasse durch dichtes Waldgebiet. Immer höher stiegen wir, und als Ausgleich zum karger werdenden Gelände wurden die Namen der Ortschaften immer malerischer: Savognin, Ruenga, Furnatsch, Marmorera.
    Kurz bevor sich die Straße in engen Kurven auf den Julierpass hinaufschlängelte, setzte Stadelmann den Blinker und fuhr in ein schmales Seitensträßchen. Ich hielt an, zählte bis hundert und folgte ihm.
    Etwa nach einem halben Kilometer bekundete der Käfer erstmals Mühe mit der Steigung, doch ich zwang ihn weiter, obwohl sein Motor lautstark rebellierte. Brauner Matsch spritzte hoch, und während sich der VW über den holprigen, regennassen Grund kämpfte, kam mir plötzlich eine Idee. Ich hielt an, stieg aus und begann, den Wagen mit Dreck vollzuschmieren, sodass er bis auf die Fenster komplett mit Schlamm bedeckt und kein Fleckchen Hellblau mehr zu sehen war. Befriedigt trat ich einen Schritt zurück und betrachtete mein Werk. Beinahe empfand ich Mitleid mit dem Auto, so erbärmlich verdreckt hatte es noch nie ausgesehen, obwohl ich keineswegs einer dieser Samstagnachmittagsautowäscher war. Doch der Käfer war jetzt perfekt getarnt. Ich wischte meine Hände an einem abgerissenen Grasbüschel ab und blickte den Hang hinauf. Der Offroader war nicht mehr zu sehen, nur ein schwaches Motorengeräusch war aus der Ferne zu vernehmen. Bis anhin hatte ich das Gefühl gehabt, die beiden hätten nicht bemerkt, dass ich sie verfolgte. Und so sollte es auch bleiben. Ich wollte lieber nicht rausfinden, was geschehen würde, sollte Winkler mich entdecken.
     
    Die Reifenspuren des Offroaders hatten sich tief in den aufgeweichten Boden graviert, entsprechend leicht war es für mich, die Spur wieder aufzunehmen. Der Abstand, den ich jetzt zu Stadelmann hatte, gab mir ein Gefühl der Sicherheit. Der Käfer stotterte widerwillig das Sträßchen hinauf, das sich schon bald zu einem Pfad verengte, der durch ein dicht bewaldetes Tal führte. Der Matsch war hier knöcheltief und die Weiterfahrt beschwerlich. Der Bergbach, der an sonnigeren Tagen wohl anmutig über pittoreske Felsbrocken plätscherte, war zu einem reißenden, braungrauen Fluss geworden, der über die Ufer getreten war. Die Bäume zu beiden Seiten befanden sich im Wasser, einige waren abgeknickt oder standen merkwürdig schräg, und den Schwemmhölzern nach, die immer wieder an die Wasseroberfläche gespült wurden wie zuckende, schwarze Skelette, hatte er weiter oben noch einiges mehr abgeräumt. Offensichtlich hatte in den Bergen, während Zürich unter einer etwas heftigen Regenphase gelitten hatte, ein ausgewachsenes Unwetter getobt.
    Ich kam nur noch zentimeterweise voran und betätigte die Scheibenwischer, da mittlerweile der Dreck, den ich aufs Dach geschmiert hatte, auf allen Seiten runterlief. Was nur zu einer noch größeren Schweinerei führte. Ich verfluchte meinen Job, und einen Moment lang wünschte ich, ich hätte etwas Anständiges gelernt. Nur fiel mir beim weiteren Nachdenken nicht ein, was das hätte sein können. Ich spähte durch die Schlammschlieren und erkannte etwas vom Weg zurückversetzt eine Scheune oder einen Stall. Beim näheren Hingucken entpuppte sich das Gebäude als einfache Berghütte. Immerhin gab es hier oben Zeichen von Zivilisation. Ich drückte aufs Gas und irgendwie schaffte der Käfer den Aufstieg, der die letzten paar Hundert Meter über einen schmalen

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