Fangschuss
mehr zu?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich hab die Jagd dort oben lange gemocht. Die ideale Wochenendbeschäftigung für einen erfolgreichen Mann. Auch unsere besten Kunden schätzten die Einladungen in die Casa Canis. «
»Klingt nach Hundepflegeheim.«
»Ist aber eine luxuriös ausgebaute Jagdhütte.«
»Was ist der Grund für Ihren Gesinnungswandel?«
Doktor Seeholzer legte die Fingerspitzen wieder aneinander und presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Ohne wirklich überrascht zu sein, bemerkte ich den goldenen Ring mit dem blauen Siegel an seiner Hand. Ein stilisierter Hundekopf war darauf zu erkennen.
»Sagen wir es einmal so: Jede Beschäftigung verliert an Faszination, wenn man sie zu lange ausübt. Das gilt besonders für Freizeitaktivitäten, die nicht dem Reiz des Gewinns ausgesetzt sind.«
»Ach so.«
»Die Ausgangslage ist, wenn man sie genau betrachtet, doch sehr unfair. Hier die mit modernsten Schusswaffen ausgerüsteten Männer, da die wehrlosen Tiere.«
»Sie hätten es lieber ein wenig archaischer?«
»Genau.«
»Also müssten Sie nur mit primitiveren Waffen auf die Jagd gehen …«
»Richtig.«
»Oder gefährlicheres und intelligenteres Wild finden.«
»Das wäre ein anderer Ansatz. Aber lassen wir die Gedankenspielereien. Deswegen sind Sie kaum zu mir gekommen, nehme ich an.« Abrupt hatte er den Kopf gesenkt und musterte mich jetzt lauernd durch beinahe geschlossene Lider.
»Ich bin Privatdetektiv und ich suche Philipp Stadelmann.«
Wenn ihn diese Aussage überraschte, so ließ er sich das jedenfalls nicht anmerken.
»Ich kenne keinen Philipp Stadelmann.«
»Er ist der Sohn Ihres Vizedirektors.«
»Ich kenne die Gören meiner Angestellten nicht.«
»Sollten Sie aber. Denn dieser Philipp hatte den Auftrag, eine größere Menge Drogen zu liefern. Seither ist er verschwunden und die Spur führt direkt zu Ihnen und Ihrer Jagdhütte.«
Das war pure Mutmaßung, doch es schien zu wirken. Der Doktor blähte die Nasenflügel. Aber er fasste sich schnell wieder. »Das ist ja absurd, was Sie da behaupten! Wieso sollte der Sohn meines Vizedirektors mit Drogen dealen?«
»Wieso sollte irgendwer mit Drogen dealen? Philipp Stadelmann hat gedealt, dafür habe ich Beweise. Und er hat auch an Sie geliefert.«
»Ihre Behauptungen sind vollkommen lächerlich!«
»Nicht so lächerlich, wenn man bedenkt, dass seit geraumer Zeit Drogen dorthin geliefert werden und die Kuriere danach spurlos verschwinden.«
Seeholzer fuhr sich mit den gespreizten Fingern durchs Haar und presste die Lippen zusammen. Er wirkte plötzlich ziemlich angespannt. »Was versuchen Sie zu sagen?«
Nach wie vor befand ich mich auf äußerst unsicherem Terrain, doch wie es schien, waren meine Behauptungen nicht komplett falsch.
Doktor Seeholzer richtete sich auf und stützte sich mit beiden Händen auf seinem schwebenden Schreibtisch ab.
»Was unterstellen Sie mir?« Seine Stimme war merklich schärfer geworden.
»Drogenorgien? Und die Kuriere werden beseitigt, damit sie nichts erzählen können?« Das klang selbst in meinen Ohren etwas sehr weit hergeholt.
Seeholzer setzte sich wieder und lächelte kalt. »Sie sind ja ein prima kleiner Privatdetektiv.«
»Ich bin nicht klein. Und das war nur eine von vielen Möglichkeiten. Vielleicht stehen Sie ja auf Albanerjungs. Und da oben gehen ganz andere Sachen ab.«
Sein Mund klappte auf und gleich wieder zu. »Machen Sie, dass Sie hier rauskommen! Und zwar sofort!« Seine Augen funkelten wütend. »Verschwinden Sie!«
Ich drehte mich auf dem Absatz um. Mission erfüllt. Der Verein war in Aufruhr. Ich zwinkerte der Hochsteckfrisur und ihren Pfauenaugen beim Hinausgehen freundlich zu und pfiff Sweet Child O’ Mine aus dem Album Appetite For Destruction.
Ich parkierte in der nächsten Seitenstraße und rief dann Miranda an. »Hast du den Zettel gefunden?«
Die Farbe meines Wagens hatte mich unvermittelt an das Buchzeichen in Philipps Roman erinnert, den ich beim Besuch in der WG flüchtig durchgeblättert hatte. Dem blauen, zerknitterten Papierfetzen hatte ich da keine besondere Bedeutung beigemessen, bis mir viel später eingefallen war, dass er aussah wie eine Billettquittung der Schweizerischen Bundesbahnen. Ich musste lernen, exakter zu arbeiten. Ich konnte mir nicht mehr erlauben, Details zu übersehen, und musste jedem noch so kleinen Hinweis nachgehen. So mühsam das auch war. Aber ich hatte ja tatkräftige Unterstützung.
»Hallo?«
Miranda
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