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Fanny Hill

Fanny Hill

Titel: Fanny Hill
Autoren: John Cleland
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Verwandten geflohen, die ich in der Stadt aufgefunden hätte, und dass von daher der Angriff käme. Kein einziger Nachbar hatte, wie Charlie richtig vorausgesehen hatte, mein Verschwinden im Wagen bemerkt; auch im Hause hatte niemand Verdacht, dass ich Charlie gesehen oder gesprochen, nicht zu denken an eine Flucht mit einem gänzlich fremden Menschen. Man sollte immer die größte Unwahrscheinlichkeit in den Kalkül ziehen.
    Wir aßen mit der ganzen Fröhlichkeit junger, verliebter und glücklicher Geschöpfe zu Nacht, und da ich Charlie mit Freuden mein ganzes künftiges Geschick übergeben hatte, dachte ich an nichts als an die unaussprechliche Wonne, ihm zu gehören.
    Er kam bald ins Bett zu mir, und in dieser zweiten Nacht trank ich in vollen Zügen aus dem Becher der Wollust, denn meine Schmerzen waren vor bei. Ich schwamm, ich badete in Seligkeit, bis fester Schlaf uns beide umfing, die natürliche Folge befriedigter Begierden und gelöschter Flammen, und wir erwachten nicht früher als zu neuen Freuden.
    Auf diese Weise lebten wir selig zehn Tage in Chelsea, während welcher Zeit Charlie sein Ausbleiben von zuhause unter irgend einem Vorwand entschuldigte und sich brieflich bemühte, mit seiner zärtlichen, nachsichtigen Großmutter auf gutem Fuß zu bleiben; er brauchte ihre Unterstützung, um mich zu erhalten, eine Last, die eine Kleinigkeit war gegen das, was ihn seine früheren Debauchen gekostet hatten.
    Von Chelsea brachte mich Charlie in eine hübsch möblierte Privatwohnung in der D***strasse, St. James, wo er eine halbe Guinee die Woche für zwei Zimmer und ein Kabinett in der zweiten Etage bezahlte. Die neue Wohnung lag bequemer für seine häufigen Besuche als die erste, wo er mich eingemietet hatte und die ich nicht ohne Traurigkeit verliess, da sie mir durch die ersten Nächte mit Charlie teuer geworden war und ich da jenen Juwel verloren hatte, der nur einmal verloren werden kann. In meiner neuen Wohnung kam mir alles außerordentlich schön vor, obgleich sie für den Preis gewöhnlich genug war; aber wäre es auch nur ein Loch gewesen, in das mich Charlie gebracht hätte — seine Gegenwart würde mir den schlimmsten Ort zu einem kleinen Versailles gemacht haben.
    Die Hauswirtin, Frau Jones, kam uns aufzuwarten in unser Zimmer und machte uns mit außerordentlicher Zungenfertigkeit auf alle Bequemlichkeiten der Wohnung aufmerksam: dass ihr eigenes Mädchen uns bedienen solle, dass die größten Standespersonen bei ihr gewohnt hätten, dass die erste Etage an einen fremden Gesandtschaftssekretär und seine Frau vermietet sei, dass ich wie eine sehr gutherzige Dame aussehe — bei dem Worte Dame wurde ich vor geschmeichelter Eitelkeit rot.
    Es war auch wirklich zu viel für ein meines Standes, obgleich Charlie für bessere Kleider gesorgt hatte als die waren, in denen ich mit ihm durchgebrannt war, und er mich für seine Frau ausgab, die er heimlich geheiratet hätte und versteckt hielte — das gewöhnliche Märchen — seiner Verwandten wegen. Ich möchte schwören, dass die Frau, die die Stadt so gut kannte, kein Wort davon glaubte; aber es bekümmerte sie das gar nicht; wichtig war ihr nur der Profit aus ihren vermieteten Zimmern; die Wahrheit würde sie weder beleidigt noch den Miets-Kontrakt aufgehoben haben.
    Eine Skizze ihrer Geschichte und ihres Bildes wird Sie beurteilen lassen, welche Rolle sie in meinen Angelegenheiten spielte.
    Sie war etwa sechsundvierzig Jahre alt, lang, mager, rothaarig, mit einem Alltagsgesicht, wie man es allerorts trifft und an einem unbemerkt vorübergeht. In ihrer Jugend war sie von einem Herrn ausgehalten worden, der ihr und der Tochter, die sie von ihm hatte, vierzig Pfund jährlich auszahlte. Die Tochter hatte sie im Alter von siebenzehn Jahren, für eine nicht bedeutende Summe an einen Herrn verkauft, der als Gesandter an einen fremden Hof ging und sie, da er sie liebte, dahin mitnahm, aber unter der Bedingung, dass sie alle Beziehungen mit einer Mutter abbrechen müsse, die gemein genug war, mit ihrem eigenen Fleisch und Blut Handel zu treiben. Da diese gute Mutter aber keine natürlichen Empfindungen und keine andere Leidenschaft als den Geiz hatte, so schmerzte sie das nur insoweit, als ihr mit der Tochter das Mittel verloren ging, Geschenke zu erpressen, oder andere Vorteile aus dem Kauf zu ziehen. Sie war von Natur und Temperament für kein anderes Vergnügen als das, ein Vermögen anzuhäufen und scheute zu dem Zwecke auch kein Mittel: sie wurde
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