Fanny Hill
auch die Verhältnisse, unter denen wir lebten — was ihr gar nicht zu missfallen schien — und nur zu bald hatte sie Gelegenheit, was sie mit mir vor hatte, auszuführen. Einstweilen aber sagte ihr die Erfahrung, dass ein so festes Band, wie das unsere zu lockern oder aufzulösen, den Verlust zweier Mieter nach sich ziehen könnte, wenn sie einen von uns den Auftrag merken ließe, den sie von einem ihrer Kunden hatte: mich entweder zu verführen oder meinem Liebhaber wegzunehmen, koste es was es wolle.
Aber die Grausamkeit meines Schicksals ersparte der Jones die Mühe, uns auseinander zu bringen. Fast elf Monate lang lebte ich in Glück und Freude, und nun musste ich erfahren, dass nichts, was so intensiv ist, lange Dauer hat. Ich war drei Monate von Charlie schwanger gewesen, ein Umstand, der seine Zärtlichkeit sicher noch vermehrt haben würde, hätte er Gelegenheit gehabt es zu zeigen — da fiel der tödliche Schlag der Trennung auf uns nieder. Ich will über die Einzelheiten rasch hinweg gehen, denn es schaudert mir noch heute davor, und ich begreife jetzt noch nicht, wie ich es überleben konnte.
Zwei Tage — eine Ewigkeit für mich — hatte ich nichts von Charlie gehört, ich, die ich nur durch ihn atmete, nur in ihm existierte, und noch keinen Tag gelebt hatte, ohne von ihm zu hören oder ihn zu sehen. Am dritten Tag endlich war meine Aufregung so stark, dass ich ganz krank wurde und unfähig, es länger zu ertragen; ich fiel aufs Bett und klingelte Frau Jones, die mich die Zeit über nicht getröstet hatte. Sie kam herauf, und ich hatte kaum Atem und Leben genug, sie zu bitten, Mittel und Wege zu finden, um zu erfahren, was aus meinem Geliebten geworden war; sie bemitleidete mich auf eine Weise, die meinen Kummer nur noch erhöhte, und ging, um den Auftrag auszuführen.
Sie hatte gar nicht weit bis zu Charlies Haus; er wohnte ganz nah, in einer der Strassen, die nach Coventgarden führen. Hier schickte die Jones nach einem Dienstmädchen, deren Namen ich ihr angegeben hatte und das Auskunft geben konnte.
Das Mädchen kam alsbald und erzählt der Jones, dass der Sohn ihres Herrn eben mein Charlie — tags zuvor London verlassen habe, wie es das ganze Haus wisse. Und das hätte der Vater zur Bestrafung seines Sohnes angeordnet, weil ihm die Großmutter mehr gegolten habe als er selbst. Der Vorwand, unter dem der Vater die Fahrt als unumgänglich nötig hinstellte, war, dass es die Sicherung einer ansehnlichen Erbschaft gelte, die Charlie von seinem Onkel zugefallen sei, wovon er kürzlich Nachricht und eine Abschrift des Testaments erhalten habe. Der Vater hatte hinter seinem Sohn Rücken schon alle Vorbereitungen getroffen, einen Kontrakt mit dem Schiffseigentümer geschlossen, der Charlie nach Frankreich bringen sollte, kurz alles so heimlich und geschickt gemacht, dass Charlie, der ahnungslos an eine kleine Fahrt auf der Themse dachte, sich wie ein Verbrecher auf dem Schiff behandelt sah.
So war das Ideal meines Herzens von mir gerissen und zu einer langen Reise gezwungen, ohne dass er von irgend, jemand Abschied nehmen oder eine Zeile des Trostes erhalten konnte, außer einer kurzen Anweisung seines Vaters, dass er seine Ankunft mitteilen solle, und einige Briefe an französische Kaufleute. Alle diese Umstände habe ich erst einige Zeit später erfahren.
Das Mädchen sagte noch, sie sei sicher, dass, wie man ihren lieben jungen Herrn behandle, der Tod der Grossmutter sein würde, wie es denn auch wahr wurde; denn die alte Dame überlebte die Nachricht von der Entführung Charlies nur um einen Monat; und da ihr Vermögen in einer Rente bestand, von der sie nichts zurückgelegt hatte, so hinterließ sie ihrem Liebling nichts, was der Mühe wert war. Den Vater vor ihrem Tode zu sehen, hatte sie sich entschieden geweigert.
Als Frau Jones zurückkam und ich ihr Gesicht sah, glaubte ich, da es wenig mitleidig, ja fast vergnügt aussah, sie würde mich durch gute Nachrichten beruhigen. Aber wie grausam war die Hoffnung getäuscht! Die Unglückselige durchbohrte mein Herz, wie sie mir gelassen das Schreckliche Stück für Stück erzählte, und dass er wenigstens auf vier Jahre — dies Wort betonte sie boshaft — weggeschickt sei und dass ich daher vernünftigerweise nicht erwarten könne, ihn ja wieder zu sehen — und alles das erzählte sie so ausführlich und mit allen Umständen, dass ich ihr Glauben schenken musste, und im großen Ganzen war es ja auch wahr!
Kaum hatte sie geendet, fiel ich in
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