Fantasien der Nacht
dass sie oben auf ihn warten würde, wenn er heute Abend aufstand. Stattdessen fühlte er nur Leere. Zweifellos war sie außer sich vor Trauer, aber er würde nicht zulassen, dass sie ihn ausschloss. Er würde ihr helfen, ganz gleich, ob sie damit einverstanden war oder nicht. Erneut rief er nach ihr, und erneut erhielt er keine Antwort.
Roland erhob sich mit der ihm eigenen Anmut; gleichwohl, als Eric seinen Freund ansah, entdeckte er eine ungewohnte Anspannung in Rolands Gesicht. Er hörte auf, Tamara zu rufen, um zu fragen: „Was ist los?“
„Ich bin mir nicht sicher.“ Roland schüttelte sich. „Hast du etwas von unserer werten Tamara gehört?“
„Sie antwortet nicht auf mein Rufen.“
„Dann geh zu ihr. Nach vergangener Nacht ist sie gewiss nicht ganz auf der Höhe, aber ich habe keinen Zweifel, dass sie die Wahrheit erkennen wird, wenn du sie ihr erzählst. Wenn du …“ Er hielt inne und neigte den Kopf zur Seite, als würde er auf etwas lauschen. „Verdammich!“
Eric hob eine Augenbraue und erwartete eine Erklärung, aber Roland schüttelte bloß den Kopf. „Ich bin mir nach wie vor nicht sicher. Ich werde eine Weile fort sein, um zu sehen, ob ich dahinterkomme, was vorgeht. Bist du in der Lage, mit dem hier allein zurechtzukommen?“
„Natürlich, aber …“
„Gut. Grüß unser Mädchen von mir.“
Roland machte auf dem Absatz kehrt und verschwand, während Eric ihm hinterherschaute und sich fragte, was, zum Teufel, vor sich ging. Mit einem Schulterzucken wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Tamara zu.
Warum ignorierst du mich, meine Liebste?
Er spürte keine Erwiderung. Dann schoss mit einem Mal eine weitere Welle der Pein durch ihn hindurch, und sein Rückgrat versteifte sich. Er blinzelte hastig und erkannte, dass es ihr Schmerz sein musste, wenn er selbst ihn so intensiv fühlte.
Tamara! Wenn du dich weigerst, mir zu antworten, werde ich zu dir kommen. Ich muss wissen, was …
Nein!
Ihre Antwort hallte laut in seinem Kopf wider, und er runzelte die Stirn. Liebste, du leidest Schmerzen. Was geschieht mit dir?
Nichts. Halt dich fern, Eric. Wenn du mich liebst, dann hältst du dich fern. Erneut traf ihn intensiver, quälender Schmerz, der ihn beinahe in die Knie gehen ließ, und er wusste, dass jemand ihr mit Absicht wehtat. Rogers?
„Ich hätte den Mistkerl umbringen sollen, als er mir das erste Mal unter die Augen kam.“ In seiner Eile, zu ihr zu gelangen, riss er um ein Haar die Tür aus den Angeln. Er lief die Treppe hinauf und dann in die kalte Nachtluft hinaus. Seine übernatürliche Stärke verlieh ihm die Geschwindigkeit eines Geparden und noch mehr. Er jagte zu ihr und wäre geradewegs durch die Eingangstür gestürmt, hätte ihn nicht ein unsteter Gedankengang daran gehindert.
Das ist eine Falle, Eric. Bleib weg. Bitte bleib weg.
Er hielt inne; sein Herz pochte, nicht vor Anstrengung, sondern vor Wut und aus Angst um Tamara. Eine Falle, hatte sie gesagt. Er benutzte seinen Geist, um sie aufzuspüren, dann umrundete er vorsichtig das Haus und suchte nach einem anderen Weg hinein. Schließlich kniete er neben einem vergitterten Fenster nieder, das von Sträuchern vor neugierigen Blicken verborgen war.
Tamara lag unter blendend grellem Licht auf einen Tisch gefesselt. Ihre Bluse war in der Mitte durchgeschnitten worden, ebenso ihr Büstenhalter. Sie trug noch immer ihren dunklen Rock, und ihre Füße waren bloß. Heiße pinkfarbene Stofffetzen sogen an verschiedenen Stellen ihres Oberkörpers Blut auf, so wie ein Schwamm Wasser aufsaugt; einer davon befand sich auf jener Brust, von der Eric selbst ihr Blut gekostet hatte. Ein anderer lag auf der entsprechenden Stelle an ihrem Hals.
Eric erkannte, dass Rogers sich einen Spaß daraus gemacht hatte, Gewebeproben zu entnehmen. Jetzt stand er neben ihr, legte ein messerähnliches Instrument beiseite und nahm etwas zur Hand, was aussah wie ein Bohrer.
„Selbst das Ding hat dich nicht dazu gebracht, ihn zu rufen, was, Tam? Nun ja, ich habe noch andere Tricks auf Lager. Ich könnte wirklich eine Probe deines Knochenmarks gebrauchen.“ Er drückte auf den Einschaltknopf, und der Bohrer setzte sich in Bewegung. Er ließ den Knopf los und hielt das Gerät drohend über ihren Unterschenkel. „Wie sieht’s aus, Tamara? Rufst du ihn, oder soll ich bohren?“
Tamaras Gesicht wurde leichenblass. Ihr Kinn zitterte, aber sie schaute Rogers geradewegs in die Augen. „Fall tot um“, stieß sie hervor.
Mit einem
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