Fantasien der Nacht
Fingern wieder über die empfindliche Stelle an ihrem Hals.
„Ich könnte das Ganze vielleicht sogar amüsant finden, wenn ich nicht gerade kurz davor wäre …“ Sie brach ab und schüttelte den Kopf, als sich ihre Augen mit Tränen füllten; unversehens stockte ihr der Atem.
„Tamara, das war gewiss nicht meine Absicht …“
Sie brachte ihn mit einem heftigen Kopfschütteln zum Schweigen. „Ich werde dafür sorgen, dass er deine Nachricht erhält. Er ist vielleicht ein Mistkerl, Marquand, aber ich mag ihn sehr. Ich will nicht, dass er die Last eines Prozesses tragen muss.“
Sie machte auf dem Absatz kehrt.
„Tamara, warte! Was ist mit deinen Eltern geschehen? Wie hat er … Tamara!“
Sie ignorierte ihn, stieg aufs Eis und fuhr zur anderen Seite der Bahn, wo sie ihren Matchsack zurückgelassen hatte. Sie stolperte über den Schnee, um ihn aufzuheben, dann ließ sie sich schwer auf die nächste Bank fallen und beugte sich vor, um ihre Schlittschuhe aufzuschnüren. Ihre Finger zitterten. Durch die Tränen, die ihren Blick trübten, konnte sie kaum etwas erkennen.
Warum reagierte sie derart heftig auf die gefühllosen Machenschaften dieses Mannes? Warum fühlte sie sich so von ihm betrogen?
Weil ich den Verstand verliere, das ist der Grund.
Wut ließ sie aufschauen; sie fühlte ihn wie etwas Greifbares. Sie zerrte einen Schlittschuh von ihren Füßen, schlüpfte in einen ihrer Stiefel und schnürte den anderen Schlittschuh auf, ohne hinzusehen. Ihr Blick ruhte auf Marquand, der Curtis jetzt am Kragen gepackt hielt und ihn auf die gleiche Art und Weise schüttelte, wie Curtis vor ein paar Minuten sie geschüttelt hatte. Dann hielt er inne, ließ Curtis los und schubste ihn von sich.
Curtis landete mit dem Hintern im Schnee. Alles, was sie von Marquand sehen konnte, war sein Rücken; dennoch hörte sie seine Worte deutlich, wenn auch nicht mit den Ohren. Rogers, wenn ich noch einmal mitbekomme, dass du sie an rührst, wirst du mit deinem Leben dafür bezahlen. Habe ich mich verständlich genug ausgedrückt?
Verständlich genug für mich, dachte Tamara. Curtis schien im Moment nicht in der Gefahr zu schweben, ermordet zu werden. Sie steckte ihre Schlittschuhe in die Tasche und ging von dannen, während die beiden noch diskutierten.
Bohrender Schmerz schoss der Länge nach sein Brustbein entlang, als Eric das pinkfarbene Fell der Ohrenschützer streichelte, die sie in ihrer Hast, von ihm fortzukommen, zurückgelassen hatte. Auch ihren Mantel hatte sie liegen lassen. Er trug ihn über seinen Arm gelegt, während er den beiden in recht großem Abstand folgte.
Rogers hatte Tamara bereits ein paar Minuten nach ihrem Abgang eingeholt. Er passte sich ihren wütenden Schritten an und sprach unentwegt auf sie ein, in dem Bemühen, ihren Zorn zu besänftigen.
„Es tut mir leid, Tammy. Glaub mir, ich wollte dir nicht wehtun. Kannst du nicht begreifen, dass ich halb verrückt war vor Angst, als ich dich in seinen Armen sah? Mein Gott, ist dir nicht klar, was alles hätte passieren können?“
Kraft seiner Gedanken durchforstete Eric den Verstand des Mistkerls Rogers, ohne Hinweise darauf zu finden, dass Tamara von ihm Gefahr drohte. Er wiederholte den Vorgang, nachdem die beiden St. Claires düstere viktorianische Villa betreten hatten, nicht bereit, Tamara der „Obhut“ der beiden Männer zu überlassen, bis er sich gewiss sein konnte, dass alles in Ordnung war. Und selbst dann brachte er es nicht über sich, zu gehen.
Wie, zum Teufel, hatte es St. Claire geschafft, Tamaras Vormund zu werden? Als Eric sie vor all diesen Jahren verlassen hatte, besaß sie zwei liebende Eltern, die bei dem Gedanken fast verrückt wurden, Tamara womöglich zu verlieren. Er konnte sie immer noch vor sich sehen – die kleine Miranda, eine zerbrechlich aussehende Frau mit mausbraunem Haar und hübschen grünen Augen, die ihr vor Liebe schier übergingen, wenn sie ihr entzückendes Kind betrachtete.
In jener Nacht im Krankenhaus war sie hysterisch gewesen. Eric hatte gesehen, wie sie sich am weißen Kittel des Arztes festklammerte und bei dem, was der Arzt ihr sagte, heftig den Kopf schüttelte, während unkontrolliert Tränen über ihr Gesicht rannen. Zeuge der unaussprechlichen Verzweiflung ihres Gatten zu werden war sogar noch schmerzlicher gewesen. Kenneth war am Boden zerstört gewesen; als er sich auf den Stuhl sinken ließ, wirkte er, als würde er nie wieder aufstehen. Das blonde Haar fiel ihm über eines seiner
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