Fantasien der Nacht
ganz sicher, worum es sich dabei handelte oder wie sie dazu gekommen war.
Ihr Magen krampfte sich zusammen. Draußen auf der Klippe war ihr der Schreck in die Glieder gefahren, und jetzt hatte ihr die Erkenntnis der Wahrheit über Eric einen neuerlichen Schock versetzt. Sie zitterte.
Eric musste behutsam mit ihr umgehen. „Tamara“, sagte er sanft. Als sie aufschaute, fuhr er fort: „Verrätst du mir, warum du hierhergekommen bist?“
„Ich … musste es wissen. Ich musste es wissen.“
Er schloss die Augen und zwang sich, weiterzusprechen. „Dann weiß St. Claire nicht, dass du zu mir gekommen bist?“
Etwas von ihrer Furcht kehrte in ihre großen dunklen Augen zurück; umso höher musste man es ihr anrechnen, dass sie ehrlich antwortete.
„Niemand weiß, dass ich hier bin.“
Eric schluckte und richtete sich auf. Er musste ihr noch eine weitere Frage stellen, ganz gleich, wie unangenehm sie sein mochte. „Bist du gekommen, um meine Geheimnisse auszukundschaften und deinem Vormund davon zu berichten, Tamara?“
Sie schüttelte energisch den Kopf und setzte sich in ihrer Ecke des Kanapees auf. „So etwas würde ich niemals tun!“
Als sich von Neuem ihre Blicke trafen, verengten sich ihre Augen zu Schlitzen. Es schien, als wäre die Furcht von ihr gewichen, um einem anderen Gefühl Platz zu machen. „Ich war dir gegenüber immer ehrlich, Eric. Ich habe dir Dinge erzählt, die ich niemals zuvor jemandem erzählt habe, und nichts davon war eine Lüge. Ich habe dir vertraut.“ Ihre Stimme brach, und sie musste einen zittrigen Atemzug nehmen, bevor sie fortzufahren vermochte.
Just in diesem Moment nickte Roland in Erics Richtung, um ihm anzuzeigen, dass er sie jetzt allein lassen würde. Er war zu dem Schluss gelangt, dass sie keinerlei Bedrohung darstellte, und Erics Freund verließ den Raum durch einen dunklen Durchgang.
Tamara fand ihre Stimme wieder und sprach weiter. „Ich habe dir von den Albträumen erzählt, davon, dass ich dachte, ich würde den Verstand verlieren. Ich habe dir meine Seele offenbart, und die ganze Zeit über hast du mich hintergangen. Daniel hatte recht. Du hast mich lediglich benutzt, um an ihn heranzukommen!“
Eric spürte, wie eine Lanze weißglühenden Eisens sein Herz durchbohrte. Alles, wonach es sie in diesem Moment verlangte, war, von ihm fortzukommen. Er schluckte seinen Schmerz hinunter. „Ich habe dich niemals hintergangen, Tamara.“
„Du hast mich hintergangen, indem du mir nichts davon erzählt hast“, erwiderte sie.
„Ich hätte dir alles erzählt, zum rechten Zeitpunkt. Ich war der Ansicht, du wärst noch nicht bereit, die Wahrheit zu erfahren.“
„Die Wahrheit? Du meinst, dass du vorhattest, dich der Schikanen eines alten Mannes zu entledigen, und dass ich dir zu diesem Zweck gerade recht kam?“
„Dass ich nicht bin wie andere Männer. Ich hatte keine Ahnung, dass du unter St. Claires Obhut stehst, bis du es mir selbst erzählt hast, und danach war meine einzige Absicht, dich vor dem Mistkerl zu beschützen!“
„Mich zu beschützen? Vor Daniel?“
Erics Kinn sank auf seinen Brustkorb herab. „Hätte ich dich angelogen, hättest du es gewusst“, sagte er langsam, mit Bedacht; er betonte jedes Wort und ließ ihr Zeit, zu begreifen, dass er die Wahrheit sagte. Sie war jetzt wütend. Er nahm an, dass ihn das nicht weiter überraschen sollte.
Er hielt ihrem forschenden, fragenden Blick stand. „Wir besitzen eine geistige Verbindung, Tamara. Das kannst du nicht abstreiten. Du hast die Stärke dieses Bandes selbst gespürt. Als du in deinen Träumen nach mir riefst, als ich dich auf deinen Balkon hinausrief. Hast du noch nicht begriffen, dass ich dich über Meilen hinweg hören kann, selbst wenn du nur in Gedanken nach mir rufst?“
Sie schüttelte hastig den Kopf. „Der Traum war ein Glückstreffer; ich konnte nichts dafür. Ich kann das nicht nach eigenem Belieben tun.“
„Doch, das kannst du. Versuch es, wenn du mir nicht glaubst.“
„Nein danke. Ich will nur nach Hause … und …“
„Sag das nicht, Tamara. Du weißt, dass das nicht stimmt“, unterbrach Eric sie, als würde er ihre Worte bereits kennen, bevor sie über ihre Lippen kamen.
Ihr Blick traf den seinen, und ihrer war unbestechlich. „Ich will dich nie wiedersehen. Ich will, dass du mich in Ruhe lässt. Ich werde nicht zulassen, dass du mich dazu benutzt, Daniel zu hintergehen oder das DPI.“
„Weder um das eine noch um das andere würde ich dich jemals bitten.
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