Farben der Liebe
rechtfertigen zu müssen. Viel zu gut fühlte sich die Leichtigkeit des Moments an, als dass er ihn jetzt aufgeben wollte. Er wollte ihn festhalten, genießen, bewahren und mit sich in den oft viel zu hektischen Alltag nehmen. Mit kleinen Bewegungen rückte er noch ein wenig näher, löste seinen Blick nicht vom Gesicht seines Gegenübers.
„Du bist mein Gentleman.“
Er hatte nicht mit einer Antwort gerechnet, war es doch nur eine Feststellung gewesen, die keiner Erwiderung bedurfte. Dennoch überraschte ihn Chestnuts Reaktion auf seine Worte dermaßen, dass das kleine Schmetterlingsvolk in seinem Magen kurz stillstand, ehe sie eine Party feierte.
Der plötzliche Kuss überwältigte ihn, sein Herz setzte einen winzigen, überraschten Augenblick aus, ehe es wild gegen seine Brust pochte. Auch wenn er zu keinem wirklichen Gedanken fähig war, war er froh, dass er schon auf dem Holzdielen saß, andernfalls wäre er in genau diesem Moment Gefahr gelaufen, den Boden unter den Füßen zu verlieren. So verlor er sich nur in dem süßen, herben Geschmack von Chestnuts Lippen. Seine Hand schob sich in die dunklen, krausen, kurzen Haare, hielten den anderen davon ab, den Kuss zu lösen. Nur zu gerne erwiderte er das vorsichtig-stürmische Stupsen der Zunge, vergaß die Welt um sie beide herum.
Der schnelle, stoßweise Atem, der seine Lippen traf, ließ Manuel lächeln. Nicht dass sein eigener Atem sehr viel ruhiger wäre. Seine Stirn lehnte an der Chestnuts, seine Augenlider waren noch immer geschlossen, seine Gedanken konnten sich nicht zwischen dem süßen Nirwana verknutschten Nebels oder prickelnder Gegenwart entscheiden. Diese ungewohnte, und doch vertraute Nähe machte ihn nun wirklich langsam fertig. Aber auf eine dermaßen gute Art und Weise, dass es ihm nichts mehr ausmachte, dass er sich bis vor Kurzem noch wie der idiotischste Depp der Welt vorgekommen war.
Sanfte, kleine Küsse nahmen ihm die Entscheidung seiner Gedanken nun endgültig ab, zärtliche, federleichte Berührungen zogen ihn in seinen Bann und riefen längst verloren geglaubte Gefühle in ihm wach. Nur zu gerne schob er sich der vorsichtig tastenden Hand entgegen, die über seinen Hals glitt, über seine Schultern und schließlich auf seinem Rücken liegen blieb, dort einen Flächenbrand auslöste, der sich nicht so schnell und nicht so ohne Weiteres würde löschen lassen.
Manuels Stöhnen ließ Chestnut überrascht innehalten, vorsichtig abwartend löste dieser den Kuss und die Berührung. Sein Blick ruhte unsicher auf dem Student.
„Ich ... verdammt, ich war zu schnell, oder? Das wollte ich nicht, ich ...“
„Nein, alles gut.“
Manuel atmete tief durch, beeilte sich, wieder zu lächeln.
„Wirklich, es ist alles gut.“
„Sicher?“
„Sehr sicher!“
Endlich verschwand auch der unsichere Ausdruck aus den wunderschönen braunen Augen. Ein zärtlich-verliebtes Lächeln schob sich wieder auf Chestnuts volle Lippen, dass der Dunkelhaarige ihn einfach umgehend küssen musste. Kurz und fest.
„Das Ganze hier war eine wundervolle Idee.“
Manuels Finger spielten mit der kleinen, dunkeln Kastanie, die er immer noch in seiner Hand hielt. Die andere strich versonnen über Chestnuts Schläfe. Er fühlte sich rundum wohl, zufrieden und zuversichtlich. Er genoss die berauschende Nähe des anderen, die stille Dunkelheit der Nacht. Und in genau diesem Moment wusste er, dass dieses Gefühl auch morgen noch da sein würde.
„Lass uns heimgehen, okay?“
„Heim?“
„Ja, heim ... nachhause, zu uns ...“
„Jetzt?“
„Ja, jetzt!“
Damit stand der Student auf, zog sein Gegenüber ebenfalls hoch. Mit wenigen Handgriffen sammelten sie wortlos die Decke und das restliche Bier ein, immer wieder blieben ihre Blicke dabei aneinanderhängen, begleitet von kurzen, süßen Küssen.
Als sich ihre Hände wieder kurz berührten, hielt Manuel Chestnut fest, zog ihn eng an sich. Sein Blick suchte ganz bewusst die dunklen Augen des anderen. Die leichte Verwirrung darin ließ den Studenten kurz schmunzeln, bevor er sich einen Kuss stahl.
„Ich liebe dich, Tobi!“
Mit einem weiteren kurzen Kuss verhinderte er eine Antwort.
„Ich weiß, heute Abend wollten wir uns die Leichtigkeit eines ersten Dates zurückholen, aber ich will dich und nicht Chestnut, nicht irgendeine Chat-Bekanntschaft, die aussieht wie du. Ich will keine Spielchen, ich will das hier unverfälscht.“
Ihm war klar, dass mit diesem einen Abend noch längst nicht alles geklärt
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