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Farben der Schuld

Farben der Schuld

Titel: Farben der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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ausreichend belegen. Keine der wenigen ledigen Mütter aus Röttgens Ex-Gemeinde in Klettenberg, die beim Standesamt ›Vater unbekannt‹ angegeben hatten, machte Anstalten, diese Angabe zu präzisieren, bloß weil ein Polizist an ihrer Tür klingelte und höflich darum bat. Ohnehin ist ja nicht einmal sicher, dass Georg Röttgen eine Geliebte hatte. Und selbst wenn, muss sie nicht aus Klettenberg oder Köln stammen, sie muss nicht einmal ledig sein oder katholisch.
    Manni knüllt die vor Soße triefende Papierverpackung seines Döners zusammen und wirft sie in den Abfalleimer neben dem Stehtisch des Schnellimbiss. Der Tag fing beschissen an und ist im Begriff, genauso zu enden. Nicht einmal zum Karatetraining hat er sich aufgerafft. Er spült den Knoblauchgeschmack der Dönersoße mit Cola runter und wirft ein Fisherman's ein. Spätestens jetzt ist der Moment gekommen, sich bei Sonja zu melden oder noch besser, direkt zu ihr zu fahren. Aber was soll er ihr sagen? Hey, Sonni, ich liebe dich schon, aber ein Kind mit dir hatte ich nicht geplant? Und dann, was folgt dann, was soll er dann als Lösung vorschlagen?
    Das chinesische Tattoo, das er sich vor ein paar Wochen Sonja zuliebe hat stechen lassen, scheint auf seinem Oberarm zu puckern, als wäre es frisch. Leben. Ein klares Bekenntnis, eine klare Aussage hat er gedacht und die Konsequenzen nicht berechnet. Wenn Sonja tatsächlich schwanger ist, kann sie sich entscheiden, das Kind zu kriegen oder nicht. Sein Kind. Mit ihm oder ohne ihn. Vielleicht hat Judith Krieger ja wirklich mal wieder recht. Vielleicht ist ein ungewollt gezeugtes Priesterkind das Mordmotiv, das sie noch immer suchen. Vielleicht war der gar nicht so heilige Georg von seiner ungeplanten Vaterschaft so verschreckt, dass er sich sterilisieren ließ. Samenraub – welcher Dummschwätzer hat das noch gleich gesagt? Boris Becker nach seinem Blitz-Techtelmechtel in der Besenkammer. Geholfen hat es ihm nicht, bezahlen musste er doch.
    Manni winkt dem Dönerchef zu und lenkt seinen Dienstwagen ein weiteres Mal zur Wohnung des ermordeten Priesters. Das Polizeisiegel an Röttgens Wohnung ist unversehrt. Er schlitzt es auf und öffnet die Tür. Der nun schon beinahe vertraute Geruch, dessen Quelle er immer noch nicht genau definieren kann, schlägt ihm entgegen und der Döner, den er viel zu schnell hinuntergeschlungen hat, klumpt in seinem Magen, zäh wie Pappmaché .
    Langsam geht Manni durch die Wohnung. Etwas verbirgt sich hier. Etwas Wichtiges. Wieder ist er davon überzeugt, dass es so ist. Er fängt im Schlafzimmer an, öffnet ein weiteres Mal Schrank und Schubladen, legt sich aufs Bett, starrt das Kruzifix mit dem leidenden Jesus an. Ein echter Lustkiller, das steht außer Frage. Manni setzt sich wieder hin und schlägt Röttgens Bibel an der markierten Stelle auf: »Vierter Bußpsalm: Reue und Umkehr« steht da als Überschrift. »Erbarme dich meiner, o Gott, nach deiner Huld, nach deiner großen Güte tilge meine Missetaten! Wasche meine Sünde völlig von mir ab und mach mich rein von meiner Schuld! …« Was für ein Quatsch. Das klingt beinahe so, als ob Gott eine Art Fleckenentferner wäre. Interessanter ist natürlich die Frage, von welchen Missetaten und Sünden Georg Röttgen so gerne reingewaschen werden wollte.
    Manni legt die Bibel zurück auf den Nachttisch und geht durch den Flur in die Küche. Auch die ist unverändert trostlos, einzig das Wohn-und Arbeitszimmer mit dem dicken Perserteppich wirkt einigermaßen gemütlich, doch hier ist auch dieser Geruch am stärksten. Dieser Geruch, der ihn an etwas erinnert, ungut, wie eine Warnung. Weihrauch vielleicht, Weihrauch, Papierstaub und Kernseife. Der Dorfpriester in Rheindorf hat so gerochen, aber vielleicht täuscht er sich auch. Er kippt das Fenster, streicht über die Saiten der Geige, lauscht dem Missklang nach. Mushin. Der Nichtgeist. Die Absichtslosigkeit. Warum fällt ihm das nun wieder ein?
    Manni setzt sich in einen der Sessel und betrachtet die Familienfotos an der Wand. Meuser hat Röttgens Eltern über den gewaltsamen Tod ihres Sohnes informiert. Sie waren starr vor Schock, sind es wohl noch und haben keinerlei Erklärung dafür, warum jemand ihren Sohn gehasst haben könnte. Manni steht wieder auf, studiert ihre Gesichter auf dem Foto, das sie mit dem erwachsenen Georg Röttgen vor dem Kölner Dom zeigt. Sie sehen stolz und ein wenig altmodisch aus – wie einfache Leute vom Land, die sich für den Besuch in der Groß-Stadt

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