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Farben der Schuld

Farben der Schuld

Titel: Farben der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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geworden. Die Schmerzen und diese finstere, jede andere Gefühlsregung erdrückende Angst.
    Ruth stemmt sich hoch, tappt schwerfällig in den Flur. Vielleicht liegt ihre Tochter ja friedlich in ihrem Bett und sie hat sie nicht gehört.
    »Bea, Mädchen, bist du da?«
    Der Flur wirkt unberührt, alles bleibt still. Wie ausgestorben, denkt sie und spürt, wie ihr eine bleierne Kälte in die Glieder kriecht.
    »Bea?«
    Es sind nur wenige Schritte bis zum Zimmer ihrer Tochter, doch jeder einzelne kostet unendlich viel Kraft und währt eine kleine Ewigkeit. So muss sich ein zum Tode Verurteilter fühlen, wenn er auf seinen Henker zugeht.
    Jetzt hat sie die Tür erreicht, jetzt drückt sie die Klinke herunter, öffnet die Tür und starrt in das leere, schwarz getünchte Heiligtum ihrer Tochter, das mehr denn je wie eine Grabkammer wirkt. Sogar das Chamäleon sieht heute ungesund aus, seine schuppige Haut schimmert in einem matten Graugrün, in den runden Reptilienaugen glaubt Ruth einen stummen Vorwurf zu lesen: Du hast nicht auf deine Tochter aufgepasst. Selbst gestern, als sie halb nackt und verstört und blutend vor dir stand, hast du nicht die richtigen Worte gefunden und sie wieder auf die Straße getrieben. Du hast sie im Stich gelassen, genau wie das arme Mädchen am Telefon damals. Wenn es darauf ankommt, versagst du, wie in deiner Ehe, wie in deinem Beruf …
    Es klingelt. Nachdrücklich. Einmal. Noch einmal. Wie in Trance geht Ruth in den Flur.
    »Kriminalpolizei. Machen Sie bitte auf!«
    Eine weibliche Stimme dringt aus der Gegensprechanlage, also kommt diesmal nicht der blonde Kommissar. Schicken sie Frauen, um schreckliche Nachrichten zu überbringen, ist es das? Ruth beginnt zu zittern, so sehr, dass sie Mühe hat, den Türöffner zu drücken. Ihre Knie sind weich, sie lehnt sich an die Wand, dieselbe Wand, gegen die ihre Tochter sie stieß, während sich im Treppenhaus schnelle Schritte nähern. Oh, bitte, Bea, mein Mädchen, bitte, fleht Ruth stumm. Nie wieder will ich mit dir streiten, nie wieder an dir herumnörgeln, ich werde alles besser machen, ich werde mir Mühe geben, dich zu verstehen, du wirst schon sehen, wir werden das schaffen, alles können wir schaffen, wenn du nur lebst!
    Erneut schrillt die Klingel und jemand klopft hart an die Wohnungstür.
    »Öffnen Sie bitte!«
    Das bin nicht ich, denkt Ruth, während ihr Körper gehorcht. Das passiert mir nicht wirklich. Das ist nicht mein Leben, das gerade zerbricht.
    »Frau Sollner? Ich bin Kriminalhauptkommissarin Judith Krieger.«
    Die Sprecherin ist die sommersprossige Frau mit den wilden Locken, die Ruth verdächtigt hat, eine Affäre mit Hartmut Warnholz zu haben. Wie dumm sie doch war, wie albern und blind.
    »Ich muss mit Ihrer Tochter sprechen«, sagt die Kommissarin, wedelt mit einem Dienstausweis und drängt in den Flur.
    »Sie ist nicht hier«, flüstert Ruth und die Erleichterung ist wie eine warme Welle, als sie begreift, dass diese wildlockige Polizistin also wohl nicht gekommen ist, um ihr zu eröffnen, dass ihre einzige Tochter sich vor einen Zug geworfen hat.
    »Wo ist sie dann?« Die Augen der Kommissarin wirken so, als ob ihnen niemals das kleinste Detail entgeht. Ihre Iriden sind zweifarbig, blau und grau, sie hat Chamäleonaugen denkt Ruth.
    »Frau Sollner, wo ist Ihre Tochter?«
    »Ich weiß es nicht«, stößt Ruth hervor. Es klingt mehr wie ein Schluchzen denn wie ein anständiger Satz. »Ich habe die ganze Nacht auf sie gewartet, aber sie ist nicht heimgekommen und …«
    »Das kann nicht sein«, widerspricht die Kommissar in und wird noch eine Spur blasser. »Das kann nicht sein. Ich habe Beatrice persönlich nach Hause gebracht, um kurz nach 23 Uhr.«
    »Sie ist nicht heimgekommen.« Ruths Knie drohen nachzugeben, die Kommissarin verschwimmt vor ihren Augen.
    »Kommen Sie.« Die Kommissarin legt den Arm um sie, schiebt sie in die Küche und bugsiert Ruth dort auf einen Stuhl.
    »Atmen Sie!«, befiehlt sie, öffnet die Kühlschranktür und schenkt ein Glas Orangensaft ein. »Trinken Sie das!«
    Ruth gehorcht. Nimmt wie durch Nebel wahr, dass die Kommissarin ihre Kaffeemaschine befüllt und anstellt, bevor sie sich ihr gegenüber setzt.
    »So«, sagt sie und ihre seltsamen Augen fixieren Ruth. »Also noch einmal. Ich habe Ihre Tochter um kurz nach 23 Uhr heimgebracht. Sie hat die Haustür aufgeschlossen und ist ins Haus gegangen. Das habe ich gesehen. Aber Sie sagen, sie ist nicht in die Wohnung gekommen?«
    »Nein.«
    »Wo

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