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Farben der Schuld

Farben der Schuld

Titel: Farben der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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kann sie sein?« Die Kommissarin zieht ein Notizbuch aus der Manteltasche. »Haben Sie irgendeine Idee?«
    »Vielleicht bei ihrem Freund. Fabian Bender.«
    Die Kommissarin sieht sich um. Blitzschnell. »Haben Sie seine Nummer?«
    »Sie ist im Telefon gespeichert. Im Wohnzimmer.«
    »Bleiben Sie sitzen.« Die Kommissarin springt auf, verschwindet, kommt gleich darauf mit dem Telefon zurück. »Rufen Sie an«, befiehlt sie und hält Ruth den Hörer hin.
    Ruth gehorcht, auch wenn eine innere Stimme ihr sagt, dass das sinnlos ist, weil es keinen harmlosen Grund für Beas Verschwinden gibt. Und die Besorgnis, die sie in Fabians Stimme zu hören glaubt, der sich immerhin meldet, schürt ihre Angst noch mehr.
    »Er weiß nicht, wo sie ist«, berichtet sie. »Er war gestern Abend im Lunaclub mit ihr verabredet, aber Bea ist nicht gekommen.«
    Die Kommissarin macht sich eine Notiz. Die Kaffeemaschine gurgelt.
    »Wo könnte Beatrice sonst noch sein, überlegen Sie!«
    Ruth krampft die Hände ineinander. »Vielleicht bei einer früheren Schulkameradin. Oder in diesem Lunaclub.«
    »Namen. Adressen«, befiehlt die Kommissarin.
    Zitternd holt Ruth das Telefonregister aus dem Wohnzimmer, findet tatsächlich ein paar Namen von Freundinnen. Früher haben Bea und sie dieses Register zusammen genutzt.
    »Ist Ihr geschiedener Mann Beas leiblicher Vater?«
    »Stefan? Ja. Ja natürlich.«
    »Rufen Sie ihn an.« Die Kommissarin springt auf, holt Milch aus dem Kühlschrank und stellt die Zuckerdose auf den Tisch.
    »Mein Mann hat seit Monaten nichts von Bea gehört«, sagt Ruth, nachdem sie sich von Stefan verabschiedet hat.
    »Sicher?«
    »Das hat er gesagt, ja.«
    »Ihre Tochter ist vergewaltigt worden, das wissen Sie, oder?« Die Kommissarin setzt sich Ruth gegenüber. »Es gibt Anlass zu vermuten, dass derjenige, der dies getan hat, auch Ihren Chef, Georg Röttgen und einen weiteren Mann getötet hat.«
    Aber doch nicht Stefan. Wieder droht alles vor Ruth zu verschwimmen. Doch die Kommissarin lässt das nicht zu. Nennt immer weitere furchtbare Fakten und bombardiert Ruth mit Fragen, nötigt sie zwischendurch Kaffee zu trinken und macht sich Notizen, während Ruth von den Schwierigkeiten mit Röttgen in der Telefonseelsorge erzählt, wie er alle mit seiner Frömmigkeit terrorisierte. Wie gehetzt er in der Nacht vor seiner Ermordung wirkte, wie dann jemand anrief und drohte ›ich bring dich um‹.
    »Haben Sie die Stimme erkannt?«, fragt die Kommissarin.
    »Nein, ich – sie war verzerrt«, Ruth krampft die Hände im Schoß zusammen. »Ich bin sonst sehr gut darin, Stimmen zu identifizieren, das lernt man in der Telefonseelsorge ganz automatisch.« Ruth hält inne, erzählt dann auch von den Schweigeanrufen und von dem Anruf des schwangeren Mädchens, das sie für Jana hielt. Selbst ihren Streit mit Bea deswegen verschweigt sie nicht. Und auch nicht, dass ihre Tochter den ermordeten Priester beschuldigte, sie unsittlich angesehen zu haben.
    Die Kommissarin lässt sie reden, nickt hin und wieder, macht sich eine Notiz.
    »Sagt Ihnen der Name Lars Löwner etwas? Oder L-Music?«
    »Nein, wer soll das sein?«
    Statt Ruth zu antworten, hastet die Kommissarin in den Flur, zieht die Küchentür hinter sich zu und beginnt zu telefonieren. Wie ein gedämpftes Stakkato dringt ihre Stimme zu Ruth herein, zu leise, um etwas zu verstehen. Wieder droht die Angst um ihre Tochter sie zu überwältigen, wie eine entsetzliche Prophezeiung steht ihr das Schicksal des armen Hiob wieder vor Augen: Frau, Kinder, Freunde, Reichtum, Gesundheit, alles hatte Gott ihm genommen, um seine unermessliche Macht zu demonstrieren. Aber Hiob war unschuldig, ein redlicher Mann. Hiob hatte nicht versagt, als Gott ihn prüfte, im Gegensatz zu ihr.
    »Es wird gleich eine Kollegin kommen und bei Ihnen bleiben, Frau Sollner. Und ein Team von der Spurensicherung. Wir haben Ihre Tochter zur Fahndung ausgeschrieben. Wir wissen bestimmt bald mehr.«
    Ruth nickt. Mechanisch. Sie hat gar nicht mitbekommen, dass die Kommissarin wieder vor ihr steht. Sie stemmt sich hoch und geht mit hölzernen Bewegungen in Beas Zimmer. Sie muss das Chamäleon füttern. Wenigstens das muss sie tun. Das Tier soll doch leben, wenn Bea zurückkommt.
    Unverwandt starrt das Chamäleon sie an. Ruth drängt ihren Ekel beiseite, nimmt die Plastikpinzette und greift nach der Futterschachtel. Nichts raschelt darin, nichts schabt, nichts zirpt. Ruth öffnet den Deckel und beginnt zu schreien. Die Heuschrecken

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