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Farben der Schuld

Farben der Schuld

Titel: Farben der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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ist die Tigerente?«, fragt Manni Meuser, wohl wissend, dass der wohl kaum eine Antwort weiß.
    Meuser zuckt die mageren Schultern. »Vielleicht eine frühere Kollegin?«
    »Oder eine Partyeroberung. Oder seine Freundin.«
    Meuser seufzt. »Weiß' Krankenhauskollegen sagen genau dasselbe wie der Fotograf. Keinem ist irgendwas Ungewöhnliches aufgefallen. Keiner kann sich erinnern, wann genau Weiß den Ball verlassen hat, oder mit wem.«
    »Behaupten sie.«
    »Ja und ich habe ihnen geglaubt.«
    »Glauben hilft uns nicht weiter.«
    Meuser verzieht das Gesicht. »Wir wissen ja nicht einmal sicher, dass Weiß' Mörder überhaupt auf dem Ärzteball war.«
    Manni schnappt sich die drei Ritterfotos. Fleißarbeit, Laufarbeit, darauf läuft es wieder mal hinaus. Sie werden die Gästeliste abtelefonieren müssen, wenn nicht über Nacht ein Wunder geschieht. Er überlässt es dem Kollegen Meuser, zu entscheiden, ob er damit sofort oder erst am nächsten Morgen beginnen will, verabschiedet sich und fährt ein weiteres Mal zu dem Krankenhaus, wo ihr bislang einziger Zeuge noch immer liegt. Einen leichten Herzinfarkt habe er durch den Schock an der Kirche erlitten, lautet das aktuelle Bulletin. Besonders leidend sieht er jedoch nicht aus, eher so, als genieße er die Gesellschaft der beiden anderen Patienten, mit denen er eine Fernseh-Quizsendung diskutiert.
    »Herr Bloch, guten Abend, ich habe noch eine Frage.«
    Die schwere Tür des Krankenzimmers gleitet mit einem schmatzenden Klacken hinter Manni ins Schloss. Er zieht einen Stuhl ans Bett Josef Blochs. Die beiden anderen Alten rücken sich in ihren Kissen zurecht und mustern das Schauspiel interessiert, einer stellt sogar den Ton des an der Decke hängenden Fernsehgeräts leiser. Manni nickt ihnen zu, drängt die Erinnerung an seinen sterbenden Vater beiseite und hält Bloch die Fotos hin.
    »Ist einer dieser Ritter derjenige, der Ihnen bei Sankt Pantaleon begegnete?«
    »Nein. – Nein. – Nein.« Der Alte hustet.
    »Sind Sie sicher?«
    »Tut mir leid.«
    »Was war anders an dem Ritter, den Sie gesehen haben?«
    »Der sah irgendwie echt aus.«
    Echt, na klar. So echt wie der Priester.
    »Ich schicke Ihnen morgen einen Polizeizeichner vorbei.« Manni steht auf.
    »Ich weiß nicht, wie ich den beschreiben soll, der war eher so ein Schatten, das ging alles so schnell.« Blochs Augen wieseln zum TV-Gerät. Manni checkt seine Armbanduhr, unterdrückt einen Fluch.
    Auf dem Weg ins Karatecenter stellt er einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf, reißt sich in der Umkleide die Klamotten vom Leib, bindet den Gurt seines Karateanzugs während eines Sprints in die Halle. Es riecht hier wie immer, nach Gummi und Schweiß. Die anderen gruppieren sich soeben zur Anfangsmeditation um eine Frau mit zerfranstem Schwarzgurt. Sie ist ziemlich klein, ungefähr so alt wie die Krieger, aber mit einer zotteligen, aschblonden Kurzhaarfrisur. Wo ist sein Trainer, der Mann, der ihn für die Dan-Prüfung vorbereiten soll? Die Frau kniet sich hin, die anderen folgen ihr.
    »Was wird das hier, Hausfrauenfunk?«, fragt Manni Jan, der neben ihm kniet.
    »Wart's ab. Die hat uns schon gestern trainiert.«
    Ich mag keine Überraschungen, denkt Manni, nicht auch noch hier. Aber dann schließt er auf den Befehl der Aschblonden hin genau wie alle anderen brav die Augen, weil sie zumindest für diese Stunde der
Sensei
ist, der Meister, dem man nach den Regeln japanischer Kampfkunst nicht widerspricht. Manni versucht sich auf seinen Atem zu konzentrieren, nicht auf seine Gedanken, auch wenn er wieder mal wenig von dieser vielgepriesenen Zen-Leere spürt.
    »Yame«,
befiehlt die Aschblonde nach etwa zwei Minuten und sie verneigen sich vor ihr,
Sensei ni rei,
verteilen sich in der Halle.
    »Udo hat sich das Bein gebrochen, Margarete vertritt ihn«, erklärt Mannis Trainingspartner, während sie sich warm machen. Und dann geht es auch schon los mit den Tritten, Schlägen und Drehungen, mit
Age Uke, Yoko Geri, Empi Uchi,
und so weiter und so fort, bis die Gedanken an Fotos, Ritter und blödsinnige Zeugen verschwinden und es nur noch Bewegung gibt, das Zischen ihres Atems und das Schleifen nackter Fußsohlen auf dem Hallenboden. Den Kampfschrei Kiai, wenn sich mit der letzten Technik einer Übungsreihe die Spannung entlädt.
    »Okay, Kata. Bassai Dai«, bestimmt Margarete schließlich. »Jeder für sich, in seinem Tempo.«
    Bassai Dai. Die Festung erobern. Jede der Karate-Katas hat ein bestimmtes Thema, in der Bassai

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