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Farben der Schuld

Farben der Schuld

Titel: Farben der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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das jedoch kleiner ist als das im Schlafzimmer. Vielleicht hatte Röttgen den göttlichen Beistand hier weniger nötig, denkt Manni müde und lässt seinen Blick über eine Nullachtfünfzehn-Arbeitszeile und einen quadratischen Tisch mit zwei Holzstühlen schweifen. An der Wand darüber hängen zwei gerahmte Kalenderblätter. Eines zeigt den Kölner Dom im Schnee, das andere den Petersplatz in Rom.
    Ralf Meuser hebt eine golden geränderte Porzellanzuckerdose hoch und lugt unter ihren Boden. »Arzberg«, verkündet er. »Das hat meine Oma auch.«
    »Du bist katholisch, oder?«, fragt Manni.
    »Ja, na und?«
    Manni öffnet den Kühlschrank und mustert den Inhalt: Aufschnitt, Butter, eine Packung Sahneheringe, ein Glas Senf, Erdbeermarmelade, Pflaumenmus, Eier, H-Milch und eine angebrochene Flasche Müller-Thurgau. Das Gefrierfach ist leer. Ein leidenschaftlicher Koch war Röttgen ganz offenbar nicht, aber das ist ja kein Verbrechen. Der Inhalt von Mannis eigenem Kühlschrank macht auch nicht mehr her.
    Manni schließt die Kühlschranktür wieder und betrachtet Ralf Meuser, der an der Spüle lehnt und das Kruzifix über der Küchentür anstiert.
    »Glaubst du an Gott, Ralf?«
    »Ich glaube jedenfalls nicht, dass jeder katholische Priester zwangsläufig ein Kinderschänder ist oder schwul oder wild in der Gegend herumvögelt. Und du?«
    »Ich glaub, dass es nicht gesund ist, ohne Sex zu leben.«
    »Das meinte ich nicht.«
    »Ausgetreten.«
    Manni geht ins Wohnzimmer, erhascht einen flüchtigen Blick von sich im Flurspiegel. Meuser hat recht, er darf sich nicht von seinen Vorurteilen leiten lassen und schon gar nicht von seinen Erinnerungen an die Kirchgänge seiner Kindheit. Meijku. Aus heiterem Himmel fällt ihm diese Kata ein. Eine ziemlich anspruchsvolle Kata, die damit beginnt, dass man beide Handflächen wie einen Spiegel vors Gesicht hebt, was im Japanischen als Kommunikation mit den Göttern gilt, als Konzentration auf die Spuren der Ahnen im eigenen Ebenbild. Angeblich hat die Göttin Amaterasu den ersten Spiegel der Welt einem Königssohn geschenkt, um ihm Macht zu geben. Manni angelt nach einem Fisherman's. Die Zeit läuft ihnen weg, es hat keinen Sinn, sich den Kopf über die Philosophien japanischer Kampfmönche zu zerbrechen.
    Mord, darum geht es. Jemand hat erst einen Arzt in Priesterornat und dann einen echten Priester brutal aus dem Leben gerissen. Warum gerade diese beiden Männer? Verbindet sie etwas? Sagt der Täter die Wahrheit, wenn er seine Opfer des Mordes bezichtigt?
    »Er mochte Musik.« Ralf Meuser geht vor einer ansehnlichen Sammlung CDs und Schallplatten auf die Knie. »Klassik und Jazz. Ziemlich exquisiter Geschmack.«
    Über dem Sofa hängen ein paar blasse Porträtfotos. Sie sehen alt aus, entstammen wohl einer anderen Zeit. Ahnenbilder. Wieder dieser Gedanke an die Meijku, gepaart mit einem Anflug bleischwerer Müdigkeit. In der Raumecke neben dem Fenster steht ein Notenständer, im Regal dahinter liegt ein aufgeklappter Geigenkasten. Die Geige wirkt edel und liegt lose in ihrem Samtbett, als hätte Röttgen sie nur kurz aus der Hand gelegt. Auf dem Couchtisch vor dem Sofa steht ein Weinglas mit einem Rest Weißwein darin. Das passt nicht, ein so ordentlicher Mann wie Georg Röttgen würde den Geigenkasten doch sicherlich schließen und das leere Weinglas in die Küche tragen, bevor er seine Wohnung verlässt. Es sei denn, er hätte es plötzlich sehr eilig gehabt.
    Was ist in den letzten Stunden von Röttgens Leben passiert? Sie brauchen seinen Kalender und sein Adressbuch. Manni geht zum Schreibtisch und schaltet den Computer des Priesters ein. Er wühlt sich durch ein paar Schubladen, während der Rechner hochfährt. Es wird langsam hell draußen und regnet nicht mehr, das Fenster reflektiert seine Bewegungen und lässt sie unwirklich erscheinen. Der Computer beginnt zu brummen und verlangt ein Passwort. Manni flucht. Wieso benutzte der Priester ein Passwort, wenn er hier doch allein lebte? Wo bleibt die KTU?
    Er ruft im KK11 an, bekommt ausgerechnet Holger Kühn an die Strippe. »Die ersten Priester rufen bereits an … die haben Panik … wenn die Nachricht gleich rausgeht … die nächste Pressekonferenz … das Erzbistum … der Kardinal …«
    Ja, verdammt, ja. Manni mustert die Fotos über dem Sofa, während der Leiter der Soko Priester sich verbal abreagiert. Zwei alte Schwarzweiß-Hochzeitsfotos stammen vermutlich aus der Kaiserzeit. Ein Familienfoto aus den 6oer Jahren könnte

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