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Farben der Sehnsucht

Titel: Farben der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaugth
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Sloan mitverfolgen, wie sie sich ganz in sich selbst zurückzog, als könne sie nicht glauben, daß ihr Vater und seine Mutter zu einer solchen Grausamkeit fähig waren.
    »Eine Sache dürfen wir nicht vergessen«, beendete Sloan ihre Geschichte mit gewolltem Optimismus. »Als dein Vater einwilligte, mit seiner Mutter zurück nach San Francisco zu gehen, war er erst siebenundzwanzig. Er war nicht der Mann, den wir heute kennen. Er war jung und im Luxus aufgewachsen, und plötzlich fand er sich mit einer Frau und zwei Babys belastet, für deren Unterhalt er zu sorgen hatte. Wahrscheinlich hatte er furchtbare Angst. Und seine Mutter überzeugte ihn davon, daß sie nur das Beste für ihn wollte. Vielleicht hat sie ihm sogar gesagt, daß er in San Francisco dringend gebraucht wurde, weil sein Vater krank war. Vielleicht wollte er das glauben. Wer weiß schon, was in ihm vorgegangen ist?«
    »Niemand«, sagte Paris nach einem Moment des Schweigens.
    »Und da ist noch ein Faktor, der erschwerend hinzukommt: Unsere Mutter und unser Vater hatten nicht das geringste gemein. Er liebte sie nicht. Sie war einfach nur ein schönes, naives Kleinstadtmädchen, das sich in einen reichen, eleganten und erfahreneren Mann verliebt hatte und dummerweise auch noch von ihm schwanger wurde.«
    »Und er versuchte, das Richtige zu tun und sie zu heiraten«, warf Paris ein.
    »Nicht unbedingt. Als sie nach San Francisco kam, um ihm mitzuteilen, daß sie ein Kind von ihm erwartete, waren seine Eltern dabei. Sie waren so wütend und entsetzt, daß sie ihm - als er am gleichen Abend spät nach Hause kam -befahlen, sein Bündel zu packen und Mom mitzunehmen.«
    Sloan war klug genug, Paris die Tatsache zu ersparen, daß Carter sturzbetrunken gewesen war, als er nach Hause kam, und daß seine Eltern die Schwängerung eines Kleinstadtteenagers als letztes Glied in einer Kette unverantwortlicher Verfehlungen ihres Sohnes betrachteten.
    Mit großem Feingefühl wagte sich Sloan nun an das wirkliche Problem heran, über das sie mit Paris zu sprechen hatte. »Nach der Scheidung haben sie dir schreckliche Lügen über unsere Mutter erzählt, und natürlich war das falsch; aber wenn man es sich gut überlegt, ist es gar nicht so überraschend.«
    »Eigentlich war es Großmutter Frances, die die meisten dieser schlimmen Dinge erzählt hat.«
    »Das wundert mich nicht, nach dem, was du gerade über sie gesagt hast«, meinte Sloan in einem halb scherzhaften Unterton.
    »Ja, aber Vater hat alles gehört und ihr nie widersprochen.«
    Sloan war auf diesen Einwand nicht vorbereitet, aber auch dafür fiel ihr schließlich eine Erklärung ein. »Damals war er schon etwas älter und klüger, und wahrscheinlich schämte er sich für das, was er getan hatte - oder wozu er sich von ihr überreden hatte lassen. Es ist offensichtlich, daß du ihm sehr viel bedeutest, daher wollte er in deinen Augen auf keinen Fall als Feigling dastehen.«
    Nachdem sie Paris Zeit gelassen hatte, all das erst einmal zu verdauen, nahm Sloan ihr Wasserglas und führte ein weiteres Argument an. »Ich glaube außerdem, daß es bei geschiedenen Eltern gang und gäbe ist, vor ihren Kindern schlecht über den anderen Elternteil zu sprechen.«
    »Da hast du recht. Wie hat sich unsere Mutter denn über Vater geäußert?«
    Sloan war für einen Moment sprachlos und betrachtete -ein hilfloses Lächeln auf den Lippen - versonnen ihr Glas Wasser. »Unserer Mutter«, erklärte sie schließlich, »wurde vor ein paar Jahren von einem Teenager die Handtasche geklaut. Vor Gericht hat sie für den Angeklagten ausgesagt und den Richter gebeten, ihn nicht zu bestrafen.« Kichernd fügte sie hinzu: »Ich hatte sie nie zuvor so eloquent erlebt, so entschlossen war sie, den Jungen freizubekommen.«
    Paris mußte unwillkürlich lächeln. »Hat sie ihn denn freibekommen?«
    Sloan nickte. »Der Richter sagte, er habe das Gefühl, daß er in Wirklichkeit sie bestrafen würde, wenn er den Jungen ins Gefängnis steckte.«
    »Was für eine schöne Geschichte!«
    »Nun, nicht ganz. Eine Woche später stahl der Bengel ihr Auto. Er hatte erkannt, was für ein dankbares Opfer sie war, und das nutzte er schamlos aus.«
    Sloan fing nun langsam an, sich zu entspannen, denn sie merkte, daß es ihr gelungen war, Paris auf ihre Seite zu ziehen. Tatsächlich hörte ihre Schwester den ganzen weiteren Nachmittag nicht mehr damit auf, sie mit Fragen über Kimberly zu löchern.

31
    Die Gespräche über ihre Mutter hatten Sloan etwas

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