Farben der Sehnsucht
Sie damit sagen, daß Sloan Reynolds für das FBI arbeitet?« fragte Babcock.
»Genau das will ich sagen. Ist sie nun hier oder nicht?«
»Nun, ja, sie ist hier. Aber ich kann sie nicht... Ich habe keine Genehmigung...«
»Wer kann Ihnen die Genehmigung erteilen?«
»Nur Captain Hocklin persönlich. Aber er geht früh zu Bett, und er hat die letzte Nacht kein Auge zugetan.«
Paul griff nach einem Telefon auf dem nächststehenden Schreibtisch und schob es Babcock zu. »Wecken Sie ihn auf!« befahl er barsch.
Babcock zögerte einen Moment, folgte aber nach einem Blick auf die unerbittliche Miene des FBI-Mannes dessen Aufforderung.
Wenig später nahm Sloan ihre bescheidenen Besitztümer entgegen, die aus nicht viel mehr als ihrer Handtasche und ihrer Armbanduhr bestanden, und folgte Paul in angespanntem Schweigen zu seinem Wagen.
»Wir werden uns für heute nacht ein Motel suchen«, sagte Paul sanft. »Es tut mir leid, Sloan. Ich hatte keine Ahnung, daß sie dich festgenommen hatten, bis ich es um zehn Uhr in den Nachrichten hörte.«
»Ich bin sicher, du hattest viel zu tun; sonst wärst du bestimmt früher gekommen«, sagte sie leise, aber in einem nicht gerade sanftmütigen Ton.
Paul warf ihr einen unsicheren Blick zu, beschloß jedoch, erst mit ihr zu sprechen, wenn sie eine Unterkunft für die Nacht gefunden hatten.
Wenig später parkte er vor einem einigermaßen ordentlich aussehenden Motel, mietete zwei nebeneinanderliegende Zimmer und begleitete Sloan zu ihrer Tür. »Ich muß noch einen Anruf erledigen; dann werden wir miteinander reden.«
Sie schwieg, steckte ihren Schlüssel ins Schloß und ging ins Zimmer, ließ die Tür jedoch angelehnt. Als sie allein war, ging sie hinüber zum Fernseher und schaltete die Nachrichten auf CNN ein. Den Blick unverwandt auf den Bildschirm gerichtet, verfolgte sie schockiert, wie eine Horde von FBI-Männern - unter ihnen auch Paul - über Noahs Boote ausschwärmte. Sie konnte einfach nicht glauben, daß man Noah tatsächlich anlastete, sein Geld illegal mit dem Transport und Verkauf von Waffen zu verdienen...
Sie stand noch immer wie betäubt vor dem Fernseher, als Paul endlich das Zimmer betrat. »Ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlst«, sagte er fast zärtlich.
Er erkannte sie kaum wieder, als sie sich ihm nun zuwandte und ihn mit undurchdringlicher Miene ansah. »Habt ihr etwas gefunden?« fragte sie mit tonloser Stimme.
»Nein, noch nicht«, gab Paul zu, bevor er mit einem resignierten Seufzer fortfuhr: »Ich weiß, daß du eine irrsinnige Wut auf mich haben mußt. Du kannst mich ruhig anschreien oder sonst etwas tun, das dich erleichtert.«
»Gut, vielleicht wird mir das helfen!«
Einen Sekundenbruchteil später traf ihn ihre rechte Faust auch schon am Kiefer, so daß sein Kopf nach hinten flog und er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Völlig verdattert griff er mit einer Hand nach der Wand, um sich auf den Beinen zu halten, und berührte mit der anderen sein Gesicht. Für eine so kleine und zarte Frau hatte sie einen ungemein harten Schlag. Als sie einen weiteren Schritt auf ihn zumachte, hob er jedoch schnell die Hand und rief in einer Mischung aus Schmerz, Bewunderung und Wut: »Genug! Es ist genug! Den ersten Schlag lasse ich dir durchgehen, aber es wird keinen weiteren geben.«
Sie hielt in ihrer Bewegung abrupt inne und sank vor seinen Augen in sich zusammen und auf den Boden, wo sie die Arme um sich schlang und sich langsam vor und zurück wiegte. Ihre nach vorne hängenden Haare verbargen zwar ihr Gesicht, aber er erkannte an ihren bebenden Schultern, daß sie weinte. Dies war für Paul bei weitem schlimmer als der rechte Haken, den sie ihm verpaßt hatte. »Ich werde versuchen, alles wieder in Ordnung zu bekommen«, sagte er fast flehend.
Sie setzte sich stocksteif auf und wandte ihm ihr tränenüberströmtes Gesicht zu. »Wie denn?« brachte sie schluchzend hervor. »Wie willst du das mit Noah wieder in Ordnung bringen? Bevor er erfuhr, was du heute getan hast, hat er alles versucht, um mich vor einer Verhaftung zu schützen.
Nur eine Stunde später haßte er mich so sehr, daß er den Hörer aufknallte und mich im Gefängnis sitzenließ.«
»Das wollte ich nicht.«
Sie warf ihm einen Blick zu, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ, und schrie ihn in ohnmächtiger Wut an: »Das wolltest du nicht? Was willst du noch daran ändern? Kannst du Paris vergessen lassen, daß ich den Namen ihrer Familie beschmutzt und der
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