Farben der Sehnsucht
Maitland hingegen kreuzte die Arme über der Brust und sah sie skeptisch an, was Sloan noch mehr störte als der Gedanke an das, was ihr bevorstand. »Ich möchte wirklich nicht, daß Sie meinetwegen warten müssen«, sagte sie zu Noah, in der Hoffnung, den Kampf doch in letzter Minute noch abwenden zu können. »Ich bin sicher, daß Ihre Papiere sehr viel wichtiger sind als dies hier.«
»Nicht für mich«, erwiderte er mit einem Seitenblick auf Carter. »Legen Sie ruhig los.«
Sloan mußte erkennen, daß die Sache damit entschieden und jeder weitere Einwand zwecklos war. Sie folgte ihrem Vater und nahm sich fest vor, ihn auf keinen Fall auf den Rücken zu legen - was immer er auch tun würde, um sie zu provozieren.
»Bist du bereit?« fragte er mit einer kurzen, förmlichen Verbeugung.
Sloan nickte und erwiderte seine Verbeugung.
Seine erste Attacke kam so schnell und unerwartet, daß Sloan nicht rechtzeitig reagierte und sofort zu Boden ging.
»Du hast nicht aufgepaßt«, sagte er in demselben strengen und herablassenden Ton, in dem er beim Tennis mit Paris gesprochen hatte. Statt ihr Zeit zu geben, in ihre Ausgangsposition zurückzukehren, griff er sie dann sofort wieder an und riß sie aus dem Gleichgewicht. »Sloan, du bist zu unkonzentriert!«
Entgegen ihren Prinzipien beschloß Sloan, daß es eine sehr gute Idee sein würde, ihn auf den Rücken zu legen. Als er sich nun wieder auf sie zubewegte und zum Sprung ansetzte, fuhr sie blitzschnell herum und versetzte ihm einen hochangelegten, harten Stoß mit dem Fuß, der ihn auf allen vieren im Gras landen ließ. »Ich glaube, diesmal war ich etwas konzentrierter«, sagte sie mit einem überaus freundlichen Grinsen.
Carter war deutlich vorsichtiger geworden war, als er jetzt aufstand und sie auf der Suche nach einem Angriffsziel von neuem zu umkreisen begann. Sloan war inzwischen aufgefallen, daß er wirklich sehr gut war, aber auch einen Schuß zuviel Selbstvertrauen hatte. Als er nun wieder zum Sprung ansetzte, blockierte sie ihn geschickt mit dem einen Arm und versetzte ihm mit dem anderen einen Schlag in den Solarplexus, der ihm den Atem raubte. »Und diesmal habe ich wohl wirklich gut aufgepaßt«, sagte sie dann seelenruhig.
Ein wütender Gegner war zwar nichts Ungewöhnliches für Sloan, doch sie war doch etwas erschrocken zu sehen, daß ihr Vater vor Wut schäumte, als er nun zum nächsten Angriff ansetzte. Sein Gesicht war hochrot angelaufen, und seine Bewegungen hatten an Anmut und Präzision deutlich verloren. Er wartete auf eine Lücke in ihrer Verteidigung, dann kickte er nach ihr, traf sie jedoch nicht. Er hatte sich noch nicht von seinem Fehler erholt, als Sloan ihm einen Schlag mit der Handkante versetzte, der ihn zu Boden warf.
Sloan beschloß, die kleine Vorführung zu beenden, bevor einer von ihnen beiden ernsthaft verletzt wurde.
Sie stemmte die Hände in die Hüften und ging ein paar Schritte zurück. »Mir reicht’s!« Sie lachte und versuchte, die Lage etwas zu entspannen. »Du bist mir ein zu harter Gegner.«
»Wir sind noch nicht fertig miteinander«, zischte Carter, während er aufstand und sich ein paar Grashalme von seinen Shorts wischte.
»O doch, das sind wir. Ich bin völlig erschöpft.«
Zu Sloans Erstaunen kam ihr schließlich Noah Maitland zu Hilfe. »Carter, es ist unhöflich von dir, deine Gäste so zu überfallen; sie sind doch gerade mal seit einem Tag da.«
»Das stimmt«, scherzte Sloan. »Du solltest wenigstens ein paar Tage damit warten.« Sie wollte sich bücken und nach dem Tennisschläger greifen, der zu Noah Maitlands Füßen lag, doch er hob ihn für sie auf und reichte ihn ihr.
»Mein Vater läßt Sie herzlich grüßen«, sagte er, und sein strahlendes Lächeln brachte Sloan so aus dem Konzept, daß sie sich nur schwer auf seine Worte konzentrieren konnte.
»Wie bitte?«
»Mein Vater sagte mir, er habe heute morgen ein hochinteressantes Gespräch mit Ihnen geführt. Sie haben ihn schwer beeindruckt.«
»Ich hatte keine Ahnung, daß das Ihr Vater war«, stieß Sloan entsetzt hervor.
»Das dachte ich mir.« Er warf einen Blick auf Carter, den Sloan nutzte, um die Flucht zu ergreifen. »Carter«, sagte er, »wenn du heute abend zu deinem Dienstagspoker in den Club gehst, würde ich gerne Sloan, Paul und Paris zum Dinner ausführen.«
Sloan ging bereits mit Paul auf das Haus zu, als sie ihren Vater erwidern hörte: »Das ist eine tolle Idee! Sloan«, rief er dann, »seid ihr damit
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