Farben der Sehnsucht
unfreundlich, »weil du den Zwang in dir trägst, anderen helfen zu müssen, wenn sie dich brauchen.«
»Du bist doch kein Psychiater.«
»Stimmt«, sagte er mit einem Grinsen, während er die Tür für sie aufhielt, »aber ich erkenne ein weiches Herz, und das deine ist so weich wie ein Marshmallow.«
»Das klingt ja entsetzlich.«
»Eigentlich war es aber als Kompliment gedacht«, sagte er ehrlich. »Ich liebe Marshmallows. Du solltest nur aufpassen, daß dein weiches Herz dir bei diesem Job hier nicht in die Quere kommt. Du brauchst einen kühlen Kopf, wenn du deine Aufgabe erfüllen willst.«
In der Küche wurden sie von Gary Dishler abgefangen, so daß Sloan keine Gelegenheit hatte, auf Pauls Bemerkung zu antworten. »Es war ein unheimlich amüsanter Vormittag«, log sie. »Ich werde erst mal duschen gehen...«
»Verzeihen Sie, Miss Reynolds«, unterbrach sie Dishler. »Mrs. Reynolds möchte Sie gerne sehen. Sie ist im Sonnenzimmer.«
»Oh.« Sloan sah an ihren grasbefleckten Shorts und ihrem verschwitzten T-Shirt herunter. »Ich muß erst duschen und meine Kleider wechseln. Würden Sie ihr bitte ausrichten, daß ich komme, so schnell ich kann?«
»Mrs. Reynolds sagte aber, daß sie Sie sofort sehen möchte«, beharrte er.
Es war deutlich, daß keine Widerrede möglich war, und auch Paul bemerkte dies. »Ich werde dich begleiten«, sagte er.
Gary schüttelte den Kopf und teilte Sloan feierlich mit: »Mrs. Reynolds wünscht Sie allein zu sprechen.«
Vom Sonnenzimmer aus konnte man den Garten überblicken, und als Sloan den verdrießlichen Gesichtsausdruck der alten Frau bemerkte, nahm sie an, daß sie den Kampf zwischen ihr und ihrem Vater gesehen hatte und nicht gerade begeistert über das Ergebnis war. »Das war eine ziemlich eindrucksvolle Vorführung, die du da gegeben hast!« schnarrte Edith tatsächlich mit einem verächtlichen Blick auf Sloans wirres Haar und ihre verdreckten Shorts. »Wohlerzogene junge Frauen wälzen sich nicht im Gras, und sie laufen auch nicht in völlig verschmutzten Kleidern herum.«
Sloan war zutiefst verärgert über die Ungerechtigkeit ihrer Vorwürfe. »Ich wollte diese Vorführung nicht geben. Tatsächlich habe ich alles getan, um sie zu vermeiden, aber dein Enkel hat mich praktisch dazu gezwungen. Außerdem hätte ich mich umgezogen, bevor ich hierherkam, aber Mr.
Dishler hat darauf bestanden, daß du mich sofort zu sehen wünschst.«
Die alte Frau starrte sie ungläubig an. »Bist du fertig?«
Sloan nickte.
»Du kannst ganz schön wütend werden.«
»Ich hatte einen ziemlich anstrengenden Vormittag.«
»Das habe ich gemerkt. Wie ich von Noah hörte, warst du am Strand laufen und hast dann versucht, Douglas Maitland zu retten. Du kamst gerade rechtzeitig zurück, um - wenn auch nicht sehr gut - Tennis zu spielen, und hast deinen aufreibenden Vormittag damit abgerundet, daß du deinen eigenen Vater nicht nur einmal, sondern gleich zweimal aufs Kreuz gelegt hast. Falls du nach dem Mittagessen noch etwas Energie übrig hast, solltest du dich deiner Rückhand widmen.«
»Was?«
»Bei etwas Übung wird dein Tennisspiel schon bald viel besser werden.«
»Soweit wird es nicht kommen. Ich gehöre nicht zu den Reichen und Privilegierten in diesem Land. Ich arbeite hart für meinen Lebensunterhalt, meine Zeit ist daher sehr wertvoll, und ich möchte sie mit etwas zubringen, das ich mag. Tennis mag ich nicht! «
»Als ich jung war, habe ich viele Preise errungen. Die Reynolds waren immer hervorragende Tennisspieler. Einige von uns haben Tennismeisterschaften in den besten Country Clubs der Vereinigten Staaten gewonnen. So wie es gegenwärtig ist, ist dein Spiel eine Schande für unseren Familiennamen; aber wenn du ernsthaft übst, könntest du uns vielleicht eines Tages einholen.«
»Ich habe weder die Absicht noch den Wunsch, das zu tun«, ließ Sloan sie zornig wissen. »Und ich bin auch kein Mitglied der Reynolds-Familie.«
»Du dummes Mädchen! Du siehst zwar nicht aus wie wir, aber du bist durch und durch eine Reynolds, viel mehr jedenfalls als Paris. Was denkst du, woher du diesen Stolz hast, den du hier gerade an den Tag legst? Wieso hast du dich geweigert, dich da draußen von Carter demütigen zu lassen? Sieh dich doch an, wie du jetzt vor mir stehst - unbezähmbar und selbstbewußt, und das, obwohl du schmutzig und unordentlich gekleidet bist. Du hast sogar die Stirn, mir in meinem eigenen Haus zu widersprechen, nur weil du dir einbildest, du hättest
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