Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
dieses Schulterzucken, als ob alles hoffnungslos wäre.
»Er hat die Stadt verlassen und … so etwas wie eine Lehrstelle angenommen.«
»Was?«
Plötzlich wurden die Schmerzen in seiner Seite schlimmer. Er atmete langsamer, während er auf ihre Antwort wartete. Es war klar, dass Reese mehr sagen wollte, aber sie zögerte und schien dann aufzugeben, als ob es zu lächerlich wäre, es laut auszusprechen.
»Hast du etwas von ihm gehört? Geht es ihm gut?«
Sie schien es nicht zu wissen.
Für gewöhnlich redete Reese ohne Vorbehalte mit Bahm. In gewisser Weise standen sie sich sehr nahe und besaßen eine Offenheit im Umgang miteinander, die sich noch intensiviert hatte, nachdem Nicos Vater, sein Bruder Cole, sie verlassen hatte. Es war, als ob dieser geteilte Verlust ihnen erlaubte, auch andere sehr persönliche Dinge und Sorgen miteinander zu teilen. Sie sprachen oft über Cole und erzählten sich die wenigen Gerüchte, die sie über ihn von den alten Veteranen gehört hatten, denen sie manchmal begegneten oder die sie absichtlich mit ein paar Neuigkeiten besucht hatten. Coles letzte Spur hatte nach Pathia geführt, wo er angeblich wegen Straßenräuberei gehängt worden war, auch wenn andere behaupteten, er sei nun ein Jäger,
durchstreife die Berge bis zur Welt des Großen Schweigens und lebe dort monatelang allein in der Wildnis. Bahm dachte oft, dass er den Verstand verloren haben musste, wenn er eine solche Frau verließ und die Einsamkeit vorzog.
Die Schmerzen in Bahms Seite hatten sich nun bis zur Blase ausgebreitet. Er musste sich erleichtern. Er verfluchte seinen Körper, weil er Bahm zur Unzeit störte, entschuldigte sich und stand auf.
»Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte Reese.
»Ja. Nur ein paar geprellte Rippen, wie ich vermute.« Er wollte die Tunnel nicht erwähnen, denn diese würden seine Schwägerin unausweichlich an Cole erinnern.
Bahm ging hinunter zum Toilettenhäuschen im Hinterhof und stellte fest, dass er Blut urinierte. Er hob sein Hemd an und hielt es mit den Zähnen fest, während er die üblen Quetschungen an der Seite untersuchte und sich noch einmal nach gebrochenen Rippen abtastete. Zufrieden stellte er fest, dass alle unbeschädigt waren. Er ließ das Hemd fallen, strich sich die Haare zurück und drehte sich um.
Als er auf den Balkon zurückkehrte, fragte er sich, ob es ein Fehler gewesen war, seine Schwägerin allein zurückzulassen. Reeses Arm lehnte noch auf der hölzernen Brüstung, und mit der anderen Hand hielt sie ihren Becher im Schoß fest, doch nun starrte sie brütend auf die baumgesäumte Straße.
Sie schien es nicht zu bemerken, als er sich sanft wieder setzte. Bei jedem anderen hätte er dieses Verhalten als theatralisch angesehen – nicht aber bei Reese.
»Woran denkst du gerade?«, fragte er leise.
Sie drehte sich um und sah ihn an. Ihr schwaches Lächeln war wie eine Entschuldigung. Den Becher mit Chee in ihrem Schoß schien sie vergessen zu haben.
»Ich dachte nur … ich habe daran gedacht, dass jetzt Cole und Nico weg sind.«
Ihre Stimme klang ruhig und beherrscht. Bahm erinnerte sich an das gedämpfte Schreien des verschütteten Mannes, der nichts um sich herum sehen, hören und fühlen konnte als Finsternis.
KAPITEL ACHTZEHN
Die Schwestern des Verlustes und der Sehnsucht
Die Schwestermonde leuchteten in einem dunklen sternbesäten Himmel. Sie stiegen in einer Fülle auf, die das Auge zum Blinzeln brachte – der eine staubig-weiß, der andere blau – und nahmen zusammen einen Kurs, der sie eine Weile am Großen Rad, dem sichtbaren galaktischen Kern entlangführte und dabei jenen gewaltigen Fleck aus Sternenlicht verdunkelte. Nur einmal im Jahr gingen die beiden Monde in ihrer vollen Pracht gleichzeitig auf und verkündeten so das Herannahen des Herbstes. Vielleicht war das der Grund für ihre Namen: die Schwestern des Verlustes und der Sehnsucht.
Die beiden Gestalten, die den Berg hinaufkletterten, waren klein und unbedeutend unter dem Anblick der Himmelsgalaxis. Die Nacht war so hell, dass sie den Boden vor sich erkennen konnten, und sie gingen mit geneigten Köpfen und achteten sorgsam auf jeden ihrer Schritte. Deshalb war es für sie beinahe eine Überraschung, als sie endlich bei der winzigen Hütte angekommen
waren, die plötzlich aus der Finsternis auftauchte. Hinter ihr rauschte Wasser, das sich beinahe wie die Flammen eines fernen, knisternden Feuers anhörte. Doch heute Nacht brannte kein Feuer in der kleinen Hütte, sondern nur
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