Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
entfernt, dass es ihn nicht hörte.
Am Ende des nächsten Häuserblocks verlor er sie aus den Augen. Sie war es gewesen, dessen war er sich sicher.
Nico ging in dieselbe Richtung weiter und sah sich immer wieder um. Auf den Straßen herrschte dichter spätnachmittäglicher Verkehr. Fußgänger eilten auf den Bürgersteigen entlang, Trams und Karren fuhren über die Straße. Von einem Tempel in der Nähe schlug es die volle Stunde – zwei Schläge, dann Stille.
Er lief durch eine Straße mit völlig gleichartigen Häusern, deren große Fenster weit geöffnet waren und die Stadtluft hereinließen, und von drinnen leckte Industrielärm heraus. Es sah aus wie eine gewaltige, geräumige und staubige Werkstatt. Hunderte Menschen – hauptsächlich Frauen und Kinder – saßen nebeneinander auf Matten auf dem Boden und machten einfache, beständig sich wiederholende Handgriffe, deren Sinn sich Nico nicht erschloss. Andere Kinder fegten Abfall zusammen, und einige erwachsene Männer schoben schwitzend Handkarren mit Material durch die Gänge. Die auf den Matten Sitzenden warfen fertige Gegenstände in die vorbeirollenden Karren, während andere etwas aus ihnen herausnahmen. Einige Aufseher schritten zwischen den Arbeitern her und schrieen immer wieder den einen oder anderen an. Nach einer Minute ging Nico weiter; von Serèse war nichts mehr zu sehen. Er hatte sie verloren.
Einen Moment lang überlegt er, ob er zum Hostelio zurückgehen sollte, aber der bloße Gedanke daran, allein in diesem Raum zu sitzen und über das nachzudenken, was er in der letzten Nacht getan hatte, bedrückte ihn zu sehr. Lieber machte er einen Spaziergang, auch wenn die Straßen dieser Stadt kaum einladender waren als sein Zimmer.
Er spazierte in ein hübscheres Viertel, in dem Bäume die Straßen säumten und kleine Plätze Raum für Cheehäuser oder Springbrunnen mit klarem Wasser boten. Hier war die Stimmung weniger hektisch als im östlichen Hafenbezirk. Dennoch spürte Nico tief in seinem Innersten, dass er nicht in diese Stadt gehörte. Hier gab es nichts, was in irgendeiner Beziehung zu ihm stand oder was er mit einem Gefühl des willkommenen Wiedererkennens betrachten konnte. Es war alles so einschüchternd – nicht nur die schiere Größe der Bauwerke, sondern auch die Art der Bewohner.
In Bar-Khos sprachen die Fremden wenigstens mit den Fremden. Die Ladeninhaber lächelten, und wenn es einmal zu einem plötzlichen Kampf oder Streit kam, war immer jemand in der Nähe, der die Parteien beruhigte. Auch wenn Bar-Khos kriegsmüde war – oder vielleicht gerade deshalb –, herrschte unter der belagerten Bevölkerung ein Geist der Gemeinschaft und des gemeinsamen Ziels, der über alle Grenzen des Glaubens und der persönlichen Bekanntschaften hinausreichte. Doch hier waren die Leute mürrisch und in sich selbst zurückgezogen. Es war, als ob der Umstand, dass ihnen in ihrem Leben viel versprochen worden war – und sie es sogar erhalten hatten –, sie nur noch unzufriedener und gehetzter gemacht hätte.
Vielleicht musste Nico bloß in dieser endlosen Beengtheit aus Beton und Ziegeln etwas Grünes und Offenes sehen. Aus einer Laune heraus hielt er einen Jungen auf der Straße an und fragte ihn, wo sich der nächstgelegene Park befand. Er hoffte, der Junge würde
ihn nicht verwirrt anschielen und sagen, dass es so etwas nicht gab.
Der Junge erklärte ihm den Weg. Wie es sich herausstellte, war der Park nur einen Block entfernt. Als Nico eine Ecke umrundete, bekam er glänzende Augen, denn dort, unmittelbar vor ihm, lag tatsächlich ein kleiner grüner Park, der von einem schwarzen Eisengitter umschlossen war. Er wurde schneller und eilte durch ein Tor; Kies knirschte unter seinen Schuhen. Allmählich wurde er langsamer und nahm seine Umgebung in sich auf. Der Park war auf seine eigene Weise sehr anziehend und fast leer; nur ein paar Betrunkene lagen im hohen Gras, als ob sie jemand eingepflanzt hätte.
Nico wählte sich eine Stelle, die so weit wie möglich von diesen Parkbewohnern entfernt lag, und setzte sich unter einen großen Zikadenbaum. Er hielt das Gesicht in die schwächer werdende Sonne und empfand beinahe so etwas wie ein Gefühl der Entspannung.
Schließlich schloss Nico die Augen und stellte sich vor, er wäre anderswo – zu Hause in Khos, in den waldreichen Bergen, die hinter der kleinen Hütte seiner Mutter aufragten.
An Tagen wie diesen hatte er zu Hause oft mit Kumpel lange Spaziergänge unternommen, mit dem
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