Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
gäbe. Aber was schulde ich diesem Jungen? Asch hätte besser auf ihn achten sollen. Es ist kaum meine Schuld, dass er unseren Feinden in die Hände gefallen ist.«
Angewidert wandte sich Serèse von ihm ab.
»Er hat Recht, Serèse«, sagte Asch und hob die Hand. »Du kannst uns nicht begleiten. Wir brauchen jemanden, der draußen bleibt und uns bei der Flucht hilft. Hereinkommen ist die eine Sache, aber dein Vater sagt die Wahrheit. Es wäre ein Wunder, wenn einer von uns überlebt. Aber falls es so sein sollte, dann wäre eine erfolgreiche Flucht ein zweites Wunder. Und dazu brauchen wir dich. «
Seine Worte besänftigten sie ein wenig, und sie lehnte sich gegen den Fels.
»Wir müssen uns beeilen«, fuhr Asch fort, »wenn wir alles besorgen wollen, was wir brauchen. Ich fürchte, es wird den größten Teil der uns verbliebenen Geldmittel aufbrauchen. «
Serèse betrachtete das Gesicht des alten Mannes. »Glaubt Ihr wirklich, dass Ihr ihn retten könnt?«
Bevor er zu einer Antwort kam, spuckte Baracha auf den Kies zwischen ihnen. »Wir tun das nicht, um den Jungen zu retten – wann werdet ihr das endlich in eure Schädel bekommen? Höchstwahrscheinlich ist er schon tot.«
Wieder wandten sie die Blicke voneinander ab. Asch schaute aufs Meer hinaus und beobachtete es nicht mit den Augen, sondern mit den Ohren. Baracha hob einen Kieselstein auf und warf ihn gegen die nahen Felsen.
Ein Flattern von Schwingen erregte Aschs Aufmerksamkeit. Er drehte sich gerade noch rechtzeitig um und nahm eine davonfliegende aufgebrachte Möwe wahr. Hauptsächlich aber sah er den leeren Platz, an dem sie zuvor noch gesessen hatte. Er hob den Blick und beobachtete, wie die weiße Möwe in das Weiß des Nebels glitt.
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er streifte die Kapuze ab und holte tief Luft.
»Er lebt«, verkündete er.
Baracha runzelte die Stirn. Aléas und Serèse wandten sich ihm erwartungsvoll zu.
»Woher weißt du das?«, fragte Baracha.
»Eine Eingebung«, antwortete er. »Der Junge lebt. Und er braucht Hilfe.«
Nico wusste nicht, wo er war.
Bei seiner Gefangennahme hatten sie ihm die Handgelenke zusammengebunden und eine Kapuze über den Kopf gezogen. Es war eine erschreckende Erfahrung gewesen – die Blindheit, das schwere Tuch, das sich gegen sein Gesicht drückte, während er keuchte und zu atmen versuchte, die rauen Hände, die sich ihm ins Fleisch gegraben und ihn hierhin und dorthin gestoßen hatten, die Schläge, die Rufe, die Orientierungslosigkeit. Überall
um ihn herum hatten sich Stimmen in höchster Erregung erhoben. Ein Reiter war mit der Nachricht losgeschickt worden, dass ein Rō̄schun gefangen genommen war; und das Hufgeklapper war auf der unsichtbaren Straße verblasst. Nico war in so etwas wie einen Karren geworfen worden, und der Gestank seiner eigenen verdreckten Kleidung hatte ihn beinahe erstickt, als er über das unebene Pflaster geschaukelt worden war. Sie hatten eine Brücke oder irgendein anderes Gebilde aus Holz überquert. Nachdem die Eisenreifen des Karrens darübergerollt waren, hatte das Gefährt vor einem schweren Tor angehalten, das sofort geöffnet worden war. Der Karren war durch einen steinernen Eingang gefahren und hatte erneut angehalten. Man hatte Nico herausgezerrt, und er war grob über einen mit Steinfliesen ausgelegten Boden und dann einige Stufen hoch durch eine weitere Tür geschoben worden.
Nun stand er in einem Zimmer. Der Widerhall, den er durch den dicken Stoff der Kapuze hörte, verriet ihm, dass es groß war. Irgendwo in der Ferne rief eine Frau aufgebracht, und ihr Wortschwall wurde durch ein lautes Scheppern beendet.
Der Duft von Hazii-Rauch erfüllte die Luft. Irgendwo links von ihm unterhielten sich einige Leute leise miteinander.
»Die Schlüssel«, forderte der männliche Regulator neben Nico.
»Ich brauche den Vertrag, falls du ihn noch hast«, sagte eine weitere männliche Stimme, eine neue, die keuchte wie die eines schweren Rauchers.
Neben Nicos Ohr wurde ein zerknülltes Blatt Papier raschelnd auseinandergefaltet.
»Ihr habt nur den einen erwischt, ja?«
»Einer ist mehr, als du je gefangen hast, Malsch«, stichelte eine Regulatorin.
Der Raucher kicherte, während er sich dem Gefangenen näherte. Nico hörte das metallische Kratzen einer Schere, die geöffnet wurde, und dann schnitt ihm jemand ohne Umschweife die Kleidung vom Leib.
»Ich brauche einen Namen für die Akten.«
Die Stimme der Frau klang angestrengt. »Kommt noch«,
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