Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
den Beinen innerhalb ihres beengenden Kleides. Der alte Mönch Jerv lächelte auf sie herunter.
Wenn sein Leben anders verlaufen wäre, würde Bahm jetzt diese Zeremonie vielleicht für ein fremdes Kind durchführen. Seine Mutter hatte immer gewollt, dass er Mönch wurde, da er der jüngste von drei Söhnen war. Sein ältester Brüder Teech hatte sich bereits dem elterlichen Gewerbe der Schuh- und Lederreparaturen zugewendet, und der mittlere Bruder Cole hatte sich gegen den Willen der Mutter in der Armee eingeschrieben.
Bahm hätte einen guten Mönch abgegeben, denn im Grunde seines Herzens war er ein sanfter Mensch. Das sei das Ergebnis zu starken Bemutterns, hatte sein Vater stets auf seine ihm eigene, ruhige Weise gesagt. Aber Bahms Liebe zu Marlee hatte ihn von diesem Weg abgebracht.
In den folgenden Jahren war sein ältester Bruder aus unbekanntem Grund gestorben. Er war einfach während des Abendessens tot zusammengesackt. Der örtliche Heiler hatte einen Herzschaden vermutet. Nicht lange danach war sein anderer Bruder Cole, Reeses Ehemann, sowohl von seiner Familie als auch von der Armee desertiert. Da zwei Söhne ihn so kurz hintereinander verlassen hatten, war Bahms Vater innerhalb nur eines Jahres am Kummer eingegangen. Bahms Mutter hatte sich fortan allein durchs Leben gekämpft, und ihr schwelender und unausgesprochener Groll gegen Bahm, ihren einzigen überlebenden Sohn, hatte sich in den folgenden Monaten in offene Feindseligkeit gegen ihn verwandelt. Regelmäßig hatte sie ihn mit Bemerkungen verletzt, die Schuldgefühle in ihm hervorrufen sollten. Andauernd verglich sie ihn mit den beiden Söhnen, die sie bereits verloren hatte. Es war, als ob sie glaubte, er wäre auf irgendeine Weise verantwortlich für die Missgeschicke seiner Brüder und hätte das Schicksal herausgefordert, indem er vor der Weihe weggelaufen war.
Und was war aus ihm geworden, fragte sich Bahm. Ein Soldat, ja, aber sicherlich kein Krieger.
Nur seine eigene kleine Familie verschaffte Bahm das Gefühl, das Richtige auf dem Weg erreicht zu haben,
den er zusammen mit Marlee eingeschlagen hatte. Er arbeitete hart daran, ein guter Ehemann und Vater zu sein, und deshalb schmerzte es ihn noch mehr als die Worte seiner Mutter, wenn er seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht wurde.
Nie wieder , dachte er. Ich werde diese Familie zusammenhalten, koste es, was es wolle .
Als die Zeremonie vorbei und ihnen ihre aufgeregte Tochter mit gerötetem Gesicht zurückgegeben worden war, während der Geruch des Rauchs noch in ihren feinen Haaren steckte, versammelte sich die Familie auf dem kleinen Platz vor dem Tempel im hellen Sonnenlicht, das sie drinnen beinahe vergessen hatten. Nun würden sie zum Haus seiner Tante zurückkehren, das nur wenige Straßen entfernt lag. Dort gab es einen Empfang und all jene mageren Speisen, die die Eingeladenen hatten zusammenkratzen können.
Reese ging zusammen mit Bahm und seiner Familie. Sie erfreute sich an Ariale und Juno und spielte ein wenig mit ihnen. Sie und Marlee unterhielten sich über die Zeremonie, über kleine und unbedeutende Dinge, während der Lärm von Gewehren so regelmäßig aus dem Süden herbeidrang, dass es sich nur um den alltäglichen Austausch zwischen den gegnerischen Seiten handeln konnte. Vielleicht hatten die Mhannier erst einmal aufgegeben, dachte Bahm und wünschte sich, dass es so wäre.
Er und Marlee gingen Arm in Arm, während Reese ihre Tochter im Arm trug und ihr Sohn hinter ihnen herschlenderte. Marlee sah Bahm an, als wollte sie sagen: Also gut, frag sie . Er nickte.
»Hast du schon etwas von Nico gehört?«, wollte er von Reese wissen. Sie packte Ariale fester, bevor sie antwortete: »Letzte Woche ist ein Brief von ihm angekommen. So wie er aussah, ist er die halbe Strecke durchs Meer gezogen worden. Ich habe die Worte nicht mehr lesen können, aber, ja, er stammt von Nico. Das habe ich an der schrecklichen Handschrift erkannt.«
»Das ist wenigstens einmal eine gute Nachricht«, sagte Marlee. »Auch wenn du ihn nicht lesen konntest. Ich bin sicher, er ist wohlauf … wo immer er sein mag.« Marlee ließ die Worte in der Luft treiben und hoffte, Reese würde ihnen mehr darüber erzählen, wohin der Junge gegangen war, aber das tat sie nicht.
Als sie den Platz verlassen hatten, sahen sie einen Heckenmönch auf dem Boden sitzen; vor ihm stand eine Schale. Der Mann war mittleren Alters und erhob sich, als er die Gruppe herannahen sah. Er trat vor sie, gab ihnen
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