Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
gedient hatte, als Bahm noch ein Kind gewesen war – und betrachtete die weißen Büschel des Bartes, der ihm aus dem Kinn wuchs.
Seine Tochter hatte ihr erstes Lebensjahr hinter sich gebracht und war wohlauf und gesund. Für die Mercier war das der Zeitpunkt des Frohlockens, zu dem das Kind endlich seinen Namen erhielt. Der Name seiner Tochter – die, seit sie zu kriechen gelernt hatte, überall
mit großer Schnelligkeit herumgehuscht war – würde Ariale lauten, nach dem legendären Pferd mit Schwingen an den Hufen. Marlee selbst hatte verkündet, dies sei der perfekte Name für sie, denn sie glaubte, dass alles Lustige im Leben richtig und gut sei. Bahm hatte eine Weile gebraucht, bis er sich mit der Vorstellung angefreundet hatte, seine Tochter nach einem Pferd zu benennen.
Ariale Calvone. Nun beschloss er mit einem Lächeln, dass es ein guter Name war, und mit diesem Lächeln fühlte er sich wieder im Einklang mit sich selbst, was ihm seit vielen Tagen nicht mehr gelungen war.
Die Versammelten stammten hauptsächlich aus Marlees Familie: ihre Mutter, ihre Tanten und Onkel, hauptsächlich Ladenbesitzer und Soldaten, von denen Bahm einige kaum kannte und die er seit dem Tag, an dem Marlee und er miteinander verbunden worden waren, nicht mehr gesehen hatte. In ihren feinen Kleidern und ihrer würdevollen Haltung, die genau jener von Marlee entsprach, bildeten sie eine stattliche Familie.
Seine eigenen Verwandten waren nicht zahlreich und passten in ihrer lässigen Haltung und den abgetragenen Festtageskleidern nur schlecht zu den anderen. Seine Mutter war nicht da; bestimmt war sie gerade damit beschäftigt, Schuhe und Lederwaren in ihrem kleinen Wohn- und Arbeitszimmer in der Adobestraße zu flicken, die gar nicht weit von hier entfernt lag. Bahm hatte ihr Erscheinen nicht erwartet, und es war nicht um ihretwillen geschehen, dass sie Bahms Kindheitstempel für die Zeremonie gewählt hatten. Ihr eigener örtlicher
Tempel im Norden der Stadt war einfach schon lange im Voraus ausgebucht gewesen.
Aber seine Tante Vicha, die ihr wildes schwarzes Haar für diese Gelegenheit ein wenig gezähmt hatte, war mit ihren beiden Töchtern Alexa und Maurina gekommen, die beide so blond waren, wie ihre Mutter dunkelhaarig war. Sie alle waren offiziell noch in Trauer nach dem Tod ihres Mannes und Vaters Hecelos, dem Meisterschreiner, der auf See geblieben war, als sein Getreidekonvoi – derjenige, an dessen Ersetzung die Werften von Al-Khos so hart arbeiteten – vor fünf Monaten auf der Rückkehr von Zanzahar gesunken war. Bahm hatte ihn immer für einen guten Mann gehalten.
Auch Reese war da, diese Schönheit mit ihrem roten Haar, auch wenn dunkle Ringe unter ihren Augen lagen, als ob sie in letzter Zeit nicht viel geschlafen hätte. Loos war nicht bei ihr, Erēs sei Dank.
Ein junger Mönch trat aus den Schatten und ging mit einem hölzernen Aeslo in der Hand um die Familie herum. Er löste die beiden Klappen der Ratsche voneinander und ließ sie in einem langsamen und dumpfen Rhythmus immer wieder zusammenschlagen wie die Kiefer eines Mundes. In der anderen Hand hielt er ein einfaches Spendenkörbchen und bat um Almosen als Gegengabe für den Dienst, den die Mönche heute verrichteten. Mit ernsten Gesichtern warfen die Versammelten pflichtbewusst Münzen in das vorbeiziehende Körbchen.
Als der Mönch zu Bahm kam, erkannte dieser, dass er all sein Geld dem Straßenmädchen gegeben hatte und nun ohne eine einzige Münze dastand. Er war gezwungen,
dem kahlgeschorenen jungen Mann eine Entschuldigung zuzumurmeln. Die unnötige Unterbrechung der Zeremonie durch diese Bettelei ärgerte Bahm sowieso. In seiner Jugend war es erlaubt gewesen, nach der Zeremonie einfach das zu geben, was man hatte. Aber die Zeiten hatten sich geändert, sogar hier.
Marlee holte eine Münze aus ihrer eigenen Börse hervor und opferte sie. Sie sah ihren Mann fragend an und wollte herausfinden, ob mit ihm alles in Ordnung war. Sie spürte die Anspannung in ihm, doch er nickte, legte ihr die Hand auf den Rücken und zog sie näher an sich heran.
Nun hoben die Mönche die Tochter des Paares hoch in die Luft. Sie sangen in Alt-Khosisch; die Klänge waren so sanft und fließend wie Wasser, das über Steine glitt. Sie rezitierten den Namen des Mädchens und beteten darum, es möge die Neun Erlösungen während eines langen und fruchtbaren Lebens in guter Arbeit erhalten. Die kleine Ariale kicherte, als sie wieder gesenkt wurde und strampelte mit
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