Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
um und bemerkte, dass er nun von allen beobachtet wurde. Er senkte den Blick auf den strohbedeckten Lehmboden.
Draußen in der Arena ertönte ein Brüllen; der gedämpfte Laut drang durch das schwere Tor am Ende eines weiteren von Gitterstäben gebildeten Ganges. Eine Frau, die auf dem Boden lag, weinte in den Staub hinein.
»Mögest du mit dem Dao sein«, sagte der Priester zu Nico und berührte ihn wieder sanft am Arm. Diese Berührung war so tröstend, so menschlich. Der Mönch drehte sich um, kümmerte sich um die Frau und bot ihr den geringen Trost an, den er zu spenden hatte.
Nico schlang die Arme um sich und bewegte die Glieder absichtlich mit großer Langsamkeit. Er zwang seinen Geist, sich ganz auf das Atmen zu konzentrieren. Immer wenn er die Luft ausstieß, dachte er daran, wie der Schmerz dabei aus seinem Körper floss. Wenn er einatmete, dachte er an Stille.
Nach einer Weile schien es zu funktionieren – zumindest so gut, dass er wieder klar denken konnte. Gedanken waren nun eine gute Sache. Sie konnten ihn von diesem Ort wegbringen.
Also erlaubte er seinem Geist, umherzustreifen. Er
dachte an das sonnige Khos, an die elterliche Hütte und an seine Mutter. Mehr als alles andere in der Welt wünschte er sich, er könnte sie nun sehen.
Die Zeit verstrich unbemerkt. Die Gitter des Käfigs klapperten hinter seinem Kopf. Das war wieder der Hauptauspeitscher.
»Die da als Nächstes«, entschied der Mann und deutete auf die Frau, die gerade von dem Mönch getröstet wurde. »Und der Mönch auch.«
Andere Wächter stießen mit ihren gezackten Stäben nach den ausgewählten Gefangenen, hielten aber einen großen Abstand zum Käfig. »Auf! Auf! «, brüllten sie.
Der Mönch half der Frau beim Aufstehen und hielt sie dabei fest. Eine Außentür öffnete sich in dem Käfig. Gemeinsam traten die beiden in den Gang, der zum Tor führte.
»Halt! «, sagte der Hauptauspeitscher.
Die Wächter drängten sich gegen die Gitterstäbe des Ganges und griffen mit ihren Lederhandschuhen hinein. Sie rissen der Frau die Kleidung vom Leibe, bis sie nackt und den Blicken der Männer ausgesetzt dastand. Purpurfarbene Prellungen bedeckten ihren Körper. Und Bissspuren. Dem Mönch wurde es erlaubt, seine Robe anzubehalten, damit die Menge sah, wer er war.
Dem Mönch wurde ein Schwert und ein kleiner Rundschild gereicht. Er warf beides auf den Boden. »Ich werde nicht kämpfen«, sagte er nur.
Die Wächter fluchten und stießen ihn noch heftiger mit ihren Stäben. Dennoch weigerte er sich, Waffe oder Schild aufzuheben. Die Menge hinter dem Tor brüllte
nun unablässig. Die Wächter gaben ihre Überzeugungsversuche auf und banden dem Mönch Schwert und Schild an den Handgelenken fest, wo er sie nutzlos baumeln ließ. Die Hände des Mannes zitterten, aber er hielt sich aufrecht.
Das Tor schwang auf, und schwaches Tageslicht strömte hindurch. Nico sah nichts dahinter, denn die plötzliche Helligkeit blendete ihn.
Der Mönch und die Frau wurden durch das Tor getrieben. Dann schloss es sich hinter ihnen wieder, und die Menge röhrte.
Nico spürte den Lärm bis in seinen Magen. Beinahe hätte er seine Blase nicht mehr unter Kontrolle gehabt. Er krampfte sich innerlich zusammen und widerstand dem Drang, sich zu entleeren. Glücklicherweise ließ der Druck nach einigen Augenblicken nach.
»Was passiert jetzt mit ihnen?«, fragte ein anderer junger Mann, dessen Stimme keinerlei Gefühlsregung verriet. Er hatte die Frage nicht an jemand Besonderen gerichtet.
Aber sie hing in der Luft und war an alle gestellt worden.
» Sie werden sterben«, sagte eine weitere Stimme. Sie gehörte einem Mann mittleren Alters, der mit drei anderen zusammensaß – Soldaten vermutlich, was aus ihren Narben und Tätowierungen sowie aus der Art zu schließen war, wie sie unbeteiligt dasaßen, als ob sie schon oft gemeinsam auf die Ankunft des Todes gewartet hätten.
Sie sahen wie Khosier aus.
Sondereinheit, dachte Nico. Aus den Berichten seines Vaters wusste er, dass diese Untergrundkämpfer oft gefangen genommen wurden, wenn die Tunnel hinter ihnen einstürzten.
Mitleidslos sah der Soldat den jungen Mann ihm gegenüber an. »Mit Stahl bewaffnete Männer werden sie wie Vieh abschlachten. Oder sie werden von wilden Tieren zerrissen, die verrückt von Hunger sind. «
Der junge Mann wandte den Kopf ab und biss sich auf die Lippe.
»Es gibt immer eine gewisse Hoffnung«, sagte eine Frau mit den alten Narben eines Brandeisens auf beiden Wangen.
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