Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
kennenlernen. Das könnte deinem Jungen helfen.«
Reese schaute herunter auf ihre Hände, und Nico folgte ihrem Blick. Es waren schwielige Arbeiterinnenhände, bedeckt mit den Narben und Brandwunden vieler Jahre. Sie sahen älter aus als ihr Gesicht, das selbst jetzt, trotz all der Tränen und Sorgen, noch immer hübsch
war. Sie atmete tief ein, bevor sie sagte: »Er ist mein Sohn, und ich kenne sein Herz. Ich weiß, dass er es aushalten wird.«
Nico wandte den Blick von seiner Mutter ab und richtete ihn auf den alten Mann, dessen kantiges Gesicht undeutbar war.
»Was wäre, wenn es einen anderen Weg gäbe?«
Sie blinzelte. »Was willst du damit sagen?«
»Was wäre, wenn er die Peitsche nicht auf seinem Rücken und das Brandmal nicht auf seiner Hand spüren müsste?«
Sie schaute wieder kurz ihren Sohn an, aber Nico sah nur die Gestalt in der schwarzen Robe. An diesem alten Mann war etwas … Nico spürte, dass er ihm vertrauen konnte. Vielleicht war es seine ungezwungene Autorität – nicht die Autorität von jemandem, dem sie verliehen wurde und der gelernt hatte, sie für sich nutzbar zu machen, sondern eher etwas völlig Natürliches, das Ergebnis einer großen Aufrichtigkeit und Geradlinigkeit des Geistes.
»Was ich dir zu sagen habe, muss in diesem Zimmer bleiben. Dein … Mann muss gehen, dann werde ich es dir erklären.«
Loos schnaubte verächtlich. Er hatte offenbar nicht vor, den Raum zu verlassen.
»Bitte«, sagte Reese, während sie sich zu ihm umdrehte. Loos setzte einen gespielten Blick des verletzten Stolzes auf. »Geh«, beharrte sie.
Loos zögerte noch immer; er sah zuerst den alten Mann, dann Nico und schließlich wieder Reese an.
»Ich warte draußen«, verkündete er schließlich.
»Ja.«
Loos schlich aus dem Raum und warf dem alten Mann einen letzten finsteren Blick zu, bevor er die Tür hinter sich schloss. Der Farlander redete bereits weiter, als noch der Lärm der zugeschlagenen Tür von den Wänden widerhallte.
»Reese Calvone, meine Zeit hier ist knapp bemessen, also will ich sofort zum entscheidenden Punkt kommen. « Aber dann verstummte er, und Nico sah, wie er mit dem Daumen über das Leder seiner Schwertscheide fuhr.
»Ich werde alt«, meinte er, »wie deutlich zu sehen ist.« War das ein Lächeln, das da in seinen Augen lag? »Es gab eine Zeit, in der jemand wie dein Junge es niemals durch mein Fenster geschafft hätte, ohne dass ich aufgewacht wäre. Ich hätte ihm die Hand in dem Moment abgeschlagen, in dem er sie nach der Geldbörse ausstreckte. Aber jetzt habe ich geschlafen, war ganz erschöpft von der Nachmittagshitze, ich alter Mann, der ich nun einmal bin.« Er senkte den Blick zu Boden. »Meine Gesundheit … ist nicht mehr das, was sie einmal war. Ich weiß nicht, wie lange ich meine Arbeit noch fortführen kann. Wenn ich es einfach und in der Tradition meines Ordens ausdrücke, so muss ich sagen, dass für mich die Zeit gekommen ist, einen Lehrling auszubilden. «
»Ich halte es für wahrscheinlicher, dass du einsam bist und gern einen hübschen Jungen in deiner Nähe hättest«, erwiderte Nicos Mutter scharf.
Er schüttelte nur den Kopf. Nein .
»Was machst du denn so? Du bist wie ein Mönch gekleidet, aber ich sehe ein Schwert in deiner Hand.«
»Reese Calvone« – er breitete die Hände weit aus, als ob er auf etwas Offensichtliches hindeuten wollte – »ich bin ein Rō̄schun .«
Unwillkürlich musste Nico auflachen. Es klang ein wenig hysterisch, und als er das Echo von der gewölbten Decke hörte, verstummte er sofort.
Beide Gesichter hatten sich auf ihn gerichtet.
»Du willst, dass ich zum Rō̄schun ausgebildet werde? «, gelang es Nico zu fragen. »Bist du verrückt?«
»Hör mir zu«, sagte der Farlander zu ihm. »Wenn du deine Zustimmung gibst, werde ich noch heute mit dem Richter sprechen. Ich werde ihn darum bitten, dass er die Anklage fallenlässt, und ich werde ihm eine bestimmte Geldsumme für seine Mühen und die der Gefängniswächter zahlen. Das wird dich vor deiner Strafe retten.«
»Aber das, worum du bittest …«, warf seine Mutter ein. »Dann werde ich meinen Sohn nie wiedersehen. Bei einer solchen Tätigkeit würde er sein Leben aufs Spiel setzen.«
»Wir sind hier in Bar-Khos. Wenn er in dieser Stadt bleibt, wird er früher oder später sein Leben an den Mauern riskieren müssen. Ja, meine Arbeit ist gefährlich, aber ich werde ihn gut darauf vorbereiten, und wenn ich ihn mit ins Feld nehme, wird er nur als Beobachter
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