Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
glitt, wobei es kurz im Sonnenlicht aufglitzerte.
Plötzlich biss sie die Zähne zusammen.
»Ich glaube, du hast dich vergessen, junger Mann, nicht wahr? Du bist noch nicht ganz trocken hinter den Ohren und siehst dich schon als den nächsten Heiligen Patriarchen. Sehr gut, aber wir befinden uns in der Zwischenzeit auf dem Weg des großen Fortgangs, und es ist meine Aufgabe, dich zu unterrichten, bis du dich des Glaubens als würdig erweist. Du musst diese Dinge wissen … und mehr als nur wissen. Du musst sie auch fühlen, und zwar tief in deinen Eingeweiden.«
»Da fühle ich sie schon«, fuhr er sie an. »Genau das ist das Problem, du alte Vettel.«
In ihrem Blick lag wohl abgewogene Wertschätzung. Kirkus wusste, dass er ihr Lieblingsschüler war, und wenn sie ihn so ansah, wirkte sie auf ihn manchmal wie eine besessene Bildhauerin, die seit Jahren in einer Dachkammer eingesperrt war und ihr letztes kostbares
Werk allzu gierig und verzehrend betrachtete. Kirkus wandte den Blick von diesen hungrigen Augen ab und war ein wenig angeekelt. Er warf der Sklavin hinter seinem eigenen Diwan einen Blick zu. Sie fächelte ihm an diesem Ort, der durch Stellwände vom Rest des Schiffsdecks abgetrennt war, mit Straußenfedern Kühlung zu. Sie war ein dünnes nathalesisches Mädchen mit roten Haaren, die ihr bis auf die kleinen, festen Brüste hingen. Ihre zerstörten Augen waren hinter einem Schal aus pfirsischfarbener Seide verborgen, ihre Hände steckten in weißen Handschuhen, damit sie nicht unbeabsichtigt die göttliche Haut derer von Mhann berührten. Appetit, dachte Kirkus träge, als er ihre geschmeidige Haut betrachtete und zusah, wie sie sich im regelmäßigen Rhythmus ihrer Bewegungen dehnte. Einen Moment lang stellte er sich vor, wie es wohl wäre, wenn er sie jetzt und hier auf dem Deck nähme – dieses blinde und taube Mädchen, dem nur der Tastsinn und damit die Erfahrung von Schmerz und Vergnügen geblieben war. Bei dem Gedanken daran setzte plötzlich eine körperliche Reaktion bei ihm ein.
»Geduld«, verkündete die alte Priesterin fröhlich. Ihre Aufmerksamkeit war allzu deutlich auf den Beweis seiner unvermittelten Begeisterung gerichtet. »Zum Mittag legen wir in der nächsten Stadt an. Ich bin sicher, dass du von ihr gehört hast. Sie heißt Skara-Brae.«
Kirkus nickte. Darüber hatte er im Zuge seiner Studien in Valores kürzlich erschienenem Bericht über das Reich gelesen und wollte eine weitere Lektion der Priesterin vermeiden.
»Wir werden noch ein paar Spielzeuge für deine Initiation finden. Und danach werden wir den Hohepriester der Stadt besuchen und zur vollen Zufriedenheit unserer Mägen essen und trinken.«
»Ich sehne mich nicht bloß nach etwas zu essen«, bemerkte er mürrisch und schenkte der Sklavin einen weiteren eindringlichen Blick.
»Du armes, schwaches Kind; am Ende wird es alle Entbehrungen wert sein. Habe Vertrauen in eine alte Frau, die nur das Beste für dich will.«
Sie schaute kurz auf den Fluss hinaus, und ihre Züge entspannten sich bei irgendeiner fernen Erinnerung, vielleicht an ihre eigene Initiation als Priesterin. Plötzlich huschte ein Ausdruck von Jugendlichkeit über ihr Gesicht, als ob sie sich glänzender Zeiten entsinnen würde. »In der Nacht der Erwählung«, sagte sie, während sie noch auf den Fluss schaute, »wirst du so kurz vor dem Zerspringen stehen, dass du erfahren wirst, was es heißt, göttlich zu sein, wenn du diese Begierden endlich entfesseln darfst.«
Noch eine Predigt, dachte Kirkus. Aber er schluckte seine Verärgerung herunter und gab ein zustimmendes Grunzen von sich, bloß um sie zum Schweigen zu bringen. Sollte sie doch ihre hohlen Weisheiten genießen, dachte er. Ihr war nichts anderes mehr geblieben – weder Schönheit noch wirkliche Macht am Hof seiner Mutter.
Kirkus versuchte an andere Dinge zu denken. Er betrachtete das Wasser und das ferne Ufer und hielt nach etwas Ausschau, das seinen schweifenden Blick zu fesseln
vermochte. Doch da gab es nur Vögel und umherschwirrende Insekten und gelegentlich ein schwarzweiß gestreiftes Zel, das am Rande des Wassers trank. Das alles langweilte ihn sehr. Seit zwölf Tagen befand er sich auf diesem stinkenden, träge dahinfließenden Strom im Hinterland des Reiches – und dem waren zehn Monate des Reisens und Besichtigens vorausgegangen –, und nie war ihm in dieser ganzen Zeit erlaubt worden, frei und nach seinen eigenen Bedürfnissen zu handeln.
Aber was sollte er tun? Diese
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